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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Nachtschattengift ins Getränk mischt, ist derjenige am gleichen Abend tot, nicht erst ein paar Tage später. Und Danny war nicht im gleichen Jahrgang wie Robbie. Denk mal an deine Schulzeit zurück. Man ist doch nur mit den Kindern der eigenen Klassenstufe zusammen. Ältere Schüler wollen nichts mit einem zu tun haben, und nur Versager geben sich mit jüngeren Kindern ab. Deshalb war jemand, der Robbies Schulfreund war, wahrscheinlich nicht zugleich mit Danny befreundet. Ich meine, es klingt nicht so, als hätten sie viel gemeinsam gehabt.« Carol hob leicht die Hände und formte sie zu Schalen, als wäge sie zwei Dinge gegeneinander ab. »Lass mal sehen. Eine Fußballkanone. Ein Modelleisenbahn-Freak. Hm, lass mich nachdenken.« Sie deutete auf den Zeitungsartikel auf dem Bildschirm des Laptops. »Schau dir Danny an. Er sieht nicht gut aus. Ist auch nicht sportlich. Was hätte er mit Robbie Bishop gemeinsam haben können?«
    Tony sah sehr enttäuscht aus. »Sie kamen beide aus einfachen Verhältnissen und wurden beide sehr reich«, nahm er einen Anlauf.
    »Das hat ihnen aber viel gebracht! Besser man hat Glück, als reich zu werden, wenn einen der Reichtum umbringt, bevor man dreißig ist.« Carol trank den Rest ihres Weins aus. »Nette Idee, Tony. Sehr interessant. Aber ich glaube, du siehst Gespenster. Und ich muss nach Hause und versuchen, heute Nacht richtig zu schlafen.« Sie stand auf, zog ihren Mantel an, beugte sich zu einer unbeholfenen Umarmung zu ihm hinüber und küsste ihn auf die Wange. »Ich versuche morgen wieder zu kommen. Sieh mal zu, ob dir sonst noch etwas einfällt, womit du mich unterhalten kannst, okay?«
    »Ich versuche mein Bestes«, antwortete er. Er wusste schon lange, dass Enttäuschung oft der Ansporn für seine größten Leistungen war.

    Jonty Singh sah aus wie ein großer strubbeliger Bär, den man in die Ecke des pandschabischen Restaurants mitten in Dudley gesetzt hatte, wo er sich deutlich von der traditionellen kitschigen Dekoration abhob. Als Sam ihn telefonisch aufgestöbert hatte, hatte DC Singh vorgeschlagen, sich zu einem Essen in seinem Stammlokal zu treffen. Da er Sam einen Gefallen tat, gab es keine Diskussion darüber. »Ich bin der stämmige Kerl, der hinten sitzt, brauner Nadelstreifenanzug, kein Turban«, hatte er gesagt. Sam erwartete keine Schwierigkeiten, ihn zu erkennen, und hatte damit recht. Sobald er das Lokal betrat, sah er Singh, der sich angeregt mit einem Kellner unterhielt. Er hatte nicht gelogen mit dem, was er über seine Körpergröße gesagt hatte. Auf einen Eckstuhl am Tisch für vier Personen gequetscht, wirkte er selbst im Sitzen groß und stattlich. Er hatte eine dicke Mähne glänzend schwarzer Haare, große braune Augen, eine fleischige Nase und ein vorstehendes Kinn. Ein solches Gesicht vergaß man nicht so schnell.
    Sam bahnte sich durch das gutbesuchte Restaurant einen Weg zu ihm. Nachdem er ein halbes Dutzend Schritte geschafft hatte, brach der große Mann sein Gespräch ab und betrachtete den Neuankömmling. Der Kellner machte sich davon, und Sam näherte sich. Als er den Tisch erreichte, stand Singh auf. Mit mehr als einem Meter fünfundachtzig bot er einen beeindruckenden Anblick. »Sam Evans?«, fragte er, und seine Tenorstimme klang viel heller, als seine Statur hätte vermuten lassen. Er streckte die Arme aus und drückte Sam mit beiden Händen die Hand. »Ich bin Jonty Singh, freut mich, Sie kennenzulernen. Wie geht’s?« Selbst bei diesen wenigen Worten ging Sam der unverkennbare Black-Country-Dialekt der West Midlands schon auf die Nerven.
    »Danke, gut.«
    »Nehmen Sie Platz.« Singh zeigte auf den Stuhl ihm gegenüber und winkte dem Kellner. »Zweimal ’n großes Kobra-Bier, so bald wie Ihnen möglich.« Sein Lächeln war offen und freundlich. »Also, vertrauen Sie mir so weit, dass ich für uns beide bestellen kann?«
    Sam hatte keine Zweifel, wie die richtige Antwort lautete. »Klar«, erwiderte er und machte sich auf eine riesige Auswahl von Fleisch mit zu viel Soße, undefinierbarem Gemüse und pappigem Reis gefasst. Dafür brauchte er nicht nach Dudley zu fahren, aber wenn er es essen musste, um alles über Rhys Butler herauszufinden, was er wissen wollte, würde er es tapfer schlucken und sich dann an der Autobahn ein Mittel gegen Sodbrennen besorgen.
    »Ich bin begeistert von diesem Lokal«, gestand Singh. »Es gehört zwei meiner Onkel, aber das ist nur ein zusätzlicher Vorteil. Ich würde am liebsten jeden Abend hier

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