Schleier der Traeume
im
Club Soleil
, Sir«, sagte der junge Mann, ohne sich um das Stöhnen und die Buhrufe der vielen Leute zu kümmern, die auf dem Gehweg Schlange standen.
»Guten Abend.« Ein Bild stellte sich bei Taske ein. »Ich suche eine Freundin. Ist kürzlich eine junge Dame in rot-silbernem Abendkleid eingetroffen?«
»Ja, Sir. Die hab ich vorhin durchgelassen.«
Taske drückte dem Türsteher hundert Dollar in die Hand, hielt den Schein aber noch kurz fest. »Ruf die Polizei an und melde einen tätlichen Angriff. Aber flott, Junge.«
Der Türsteher nickte langsam und mit glasigem Blick.
Taske betrat den Club und verschwendete keine Zeit damit, nach der Frau zu suchen. Er spürte ihren starken, regelmäßigen Herzschlag im Kopf und nutzte ihn als Wegweiser – die übrigen Gäste dagegen verblassten zu schwarz-weißen Umrissen, zwischen denen er durchhumpelte.
»Wo bist du?«, murmelte er und wandte den Kopf nach links und rechts, bis sich seine Aufmerksamkeit auf ein paar Türen im hinteren Teil des Clubs konzentrierte – auf die Privatzimmer.
Der im Rückgrat züngelnde Schmerz loderte auf, während der Herzschlag in den Ohren zu panischem Rasen wurde. Es geschah genau jetzt, und das trieb ihn voran, bis er die mittlere Tür erreichte, vor der ein Wächter im Anzug stand.
Der Anzugtyp hob die Hand. »Sie dürfen hier nicht rein, Sir.«
Taske hatte keine Zeit zu verhandeln und verpasste dem Wächter nur einen kurzen, harten Schlag ins Zwerchfell, der ihm den Atem raubte und ihn auf die Knie schickte. Taske stieß ihn beiseite und trat ein.
Der Mann auf dem Mädchen war gut gekleidet und bestens gepflegt und hatte großzügig dafür bezahlt, für sich und seine Gäste dieses Zimmer zu reservieren, in dem er binnen eines halben Jahres sechs Frauen vergewaltigt und ermordet hatte. Nun lagen seine Hände an der Kehle derjenigen, die er zu seinem siebten Opfer zu machen gedachte.
Taske packte ihn hinten am Kragen und hob ihn in die Luft.
»He – lass mich los!« Der Mann strampelte und holte nach Taske aus, doch der brach ihm den Arm und schleuderte ihn über den Tisch an die Wand gegenüber. Der Mann sackte zu Boden, hob noch mal den Kopf und regte sich nicht mehr.
»Alles in Ordnung … Jessica.« Nun, da er ihren Namen wusste, beugte er sich vor, um ihr auf die Beine zu helfen. Ihr schönes, rot-silbernes Kleid war vorn zerrissen, und sie war stocksteif vor Schreck, doch ihr Angreifer hatte keine Zeit gehabt, ihr wirklich etwas anzutun. »Die Polizei ist verständigt und kommt jeden Moment.«
»Woher …« Sie hustete und hielt sich die gewürgte Kehle. »Woher wussten Sie das?«, flüsterte sie heiser.
Das wüsste ich auch gern, dachte er, während er sie durch den hinteren Flur führte, an dem die Büros des Clubs lagen. Dort sagte er ihr, was er ihnen allen sagte.
»Ihre Zeit ist noch nicht um.« Seine Rückenschmerzen hatten nachgelassen, waren aber so heftig gewesen, dass er einfach nachschauen musste. Also zog er den rechten Handschuh aus und nahm ihre Hand. Kaum hatte er sie berührt, sah er, dass ihr heller Lebensfaden sich weit in die Zukunft erstreckte.
Kein Wunder, dass er genötigt gewesen war, sie zu finden. Ihre Lebensleistung würde für Millionen Menschen bedeutsam sein.
»Sie werden ihm nicht an Orten wie diesem begegnen. Er wird in einem Museum auf Sie treffen. Vor einem … Picasso.« Er lächelte ein wenig. »Sein Name ist Harry, und er ist Künstler – wie Sie.«
»Wie ich«, wiederholte Jessica leise, und ihr Blick war auf sein Gesicht geheftet.
»Sie und Harry werden ein gutes Leben zusammen führen.« Er nahm kurz ein Ereignis in ihrer Zukunft wahr, das alles verändern würde. »Und Ihre Tochter, Ihr Schwiegersohn und deren Sohn auch.«
Er könnte ihr sagen, dass ihr Enkel eine Therapie gegen eine tödliche Krankheit entdecken und so Millionen Leben retten würde, aber daran würde sie sich nicht erinnern. Er konnte es nur ihrem Unterbewusstsein suggerieren, damit sie ihr Leben auf dieses Ereignis ausrichtete.
»Wenn Ihr Enkel Charlie zehn Jahre alt ist, sollten Sie seine Mutter überreden, ihm zu Weihnachten ein Mikroskop zu schenken.« Dieses Ereignis würde den Jungen auf die ihm bestimmte Lebensbahn setzen und wäre die wirklich bedeutende Tat, die Jessica im Leben vollbringen würde.
»Charlie. Mikroskop.« Sie nickte nachdenklich, und als er ihre Hand losließ, blinzelte sie. »Verzeihung, Mister – was haben Sie gesagt?«
»Ich muss Sie jetzt verlassen. Wenn die
Weitere Kostenlose Bücher