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Schleier der Traeume

Schleier der Traeume

Titel: Schleier der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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Wangen. »Warum kann ich nicht so sein wie du?«
    »Weißt du, was geschehen ist, damit du so wurdest?« Rowan griff sie ungeduldig am Arm. »Wo bist du aufgewachsen? In einem Labor? Bist du weggelaufen? Weißt du noch, von wo?«
    Das Mädchen riss sich los. »Es gab kein Labor. Ich bin kein Freak.« In ihrer Miene stand Empörung. »Du weißt nichts über mich.« Sie fuhr herum und lief davon.
    Mist – ich hab ihr Angst gemacht
.
    Diesmal hatte Rowan nicht vor, sie entkommen zu lassen. Sie rannte ihr nach, war dabei möglichst leise und wich den vielen Hindernissen aus, die auf dem Fluchtweg des Mädchens auftauchten. Die Kleine war schnell, aber sie war aufgeregt und drehte sich nicht um. Deshalb konnte Rowan ihr zu einem leer stehenden Hotel folgen, wo das Mädchen zwei Bretter der zugenagelten Eingangstür auseinanderschob, durch das Loch schlüpfte und die Bretter wieder hinter sich schloss.
    Rowan wollte die Straße schon überqueren, blieb dann aber stehen. In diesem alten Hotel hielt sich das Mädchen vermutlich versteckt und schlief dort auch. Würde Rowan ihr folgen, würde die Ausreißerin diesen Ort nicht länger als sichere Zuflucht empfinden. Liefe sie aber von hier weg, würde sie nie mehr zurückkehren.
    Rowan entfernte sich ein gutes Stück vom Hotel, zog ihr billiges Handy heraus und wählte die Nummer, die Paracelsus ihr gemailt hatte. Der Anrufbeantworter sprang an – er konnte im Moment also nicht mit ihr reden.
    Für den Fall, dass andere den Anrufbeantworter abhörten, musste sie sich vorsichtig ausdrücken. »Hier ist Dee von der Reinigung Aphrodite. Wir haben zwei Bestellungen zur sofortigen Abholung. Rufen Sie bitte möglichst bald zurück? Danke.«
    Sie beendete den Anruf und kehrte zum Restaurant zurück, wo sie Dansant in der Gasse stehen sah.
    »Hallo.« Jetzt erst merkte sie, dass sie ausgerechnet bei Hochbetrieb für einige Zeit verschwunden war. »Ich musste, äh, mal um den Block gehen. Frische Luft schnappen.«
    Er musterte sie von oben bis unten. »Sie sind ja voller Schnee.«
    Das stimmte. Sie schüttelte ihr Haar, fuhr sich über die Kleidung und lächelte. »So ist es besser.«
    Er musterte sie erneut und ging wieder rein.
    Alle Köche arbeiteten wie wild, um Rowans Fehlen zu kompensieren, doch sie hütete sich, Entschuldigungen zu stottern oder Begründungen liefern zu wollen, solange sie derart unter Druck standen. Sie wusch sich die Hände, kehrte an ihren Arbeitsplatz zurück und bemühte sich, die wütenden Blicke zu ignorieren, die sie auf ihrem Rücken spürte.
    Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis sie mit den Bestellungen wieder Schritt hielten, doch Dansant ließ den Gästen zur Besänftigung kleine Vorspeisen und Appetithappen servieren. Rowan machte bis zum Schichtende keine Pause mehr und putzte selbst dann noch, als das übrige Personal längst gemeinsam aß und sich ausruhte.
    Lonzo blieb zurück, um seinem Ärger Luft zu machen, und Rowan ließ das Donnerwetter schweigend über sich ergehen. Als er damit fertig war, sie als stinkfaule Tussi zu beschimpfen, die nicht wisse, wo ihr Kopf und Hintern stünden, und ihr seine Ansichten über ihren Geisteszustand mitzuteilen, über ihren Wert für das Restaurant und über die düsteren Aussichten der Kinder, die sie vielleicht dereinst zur Welt bringen würde, wies er sie an, tags darauf eine Stunde früher zum Dienst zu erscheinen, um sich der nächsten Tintenfischlieferung persönlich und in aller Ausführlichkeit anzunehmen. Dann gestattete er ihr gnädig, sich offiziell zu entschuldigen, nahm ihre Abbitte wider bessere Einsicht an und ging pfeifend nach Hause.
    Als Nächster war Dansant dran. »Das haben Sie nicht verdient.«
    »Nicht alles, aber drei Viertel.« Sie vergegenwärtigte sich, mit dem Besitzer des Restaurants zu sprechen, das sie, wie Lonzo behauptet hatte, ebenso gut hätte in Brand stecken können. »Tut mir leid, dass ich so unbedacht war, Chef.«
    »Warum sind Sie verschwunden?«, fragte er. »Und wohin?«
    »Ich hatte Streit mit der jungen Obdachlosen, die in der Gasse herumlungert.« Sie stieß Luft aus. »Sie hat Probleme, und ich dachte, ich könnte ihr helfen. Aber sie ist abgehauen, und ich bin ihr nach.«
    Seine Augen wurden schmal. »Sie haben dieses Mädchen mitten in der Nacht bei Schnee durch die Straßen verfolgt?«
    »Es war nicht mitten in der Nacht, es war zehn Uhr.« Als ob das einen Unterschied machte! »Mir geht’s gut. Es ist nichts passiert.«
    »Sie dürfen nachts doch nicht

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