Schleier der Traeume
von dem großen, griesgrämigen Kerl, der mir nachsteigt.«
»Ich wollte ihr einen Teil davon abnehmen«, sagte Sean und häufte am Fußende des Bettes Geschenktüten auf. »Aber sie meinte, sie braucht keine Hilfe.« Er sah sich kurz um und zog einen fettfleckigen Karton hervor. »Peperoni-Salami mit extra viel Käse«, murmelte er. »Dürfte noch warm sein.«
Taire jauchzte vor Freude, riss die Schachtel auf, nahm ein Stück raus, biss herzhaft hinein, schloss die Augen und stöhnte vor Behagen.
Rowan warf ihm einen anzüglichen Blick zu. »Du hast ihr Pizza gekauft? Zum Frühstück?«
Er lehnte sich an die Wand. »Ich hätte ihr auch ein Bier mitgebracht, wenn sie dafür schon alt genug wäre.«
»An ihre Getränkewünsche habe zum Glück ich gedacht.« Rowan zog eine Coladose aus der Jacke, öffnete sie und stellte sie neben den Pizzakarton.
Taire schluckte ein Stück Pizza runter, trank von der Cola und sah erst Rowan, dann Sean an. »Und kein Snickers?«
»Mist. Bin gleich wieder da.« Sean verschwand.
»Sein Hintern ist herrlich, wenn er rennt.« Rowan kam ums Bett herum und legte sich zu ihr, während Taire zur Seite rutschte. »Ich hab auf dem Weg hierher mit dem Arzt gesprochen; er meinte, ich kann dich vielleicht Freitag hier rausholen.« Ehe Taire etwas sagen konnte, hob Rowan mahnend den Zeigefinger. »Sofern die Operationsnähte halten, du alle Therapien brav mitmachst und die Schwestern keinen Grund haben, sich über dich zu ärgern.«
»Ich mach sogar Zusatztherapien«, versprach Taire froh. Dann wurde sie ernster. »Aber wo werde ich leben?«
Die King-Villa war für baufällig erklärt worden, und da Gerald Kings Erbin beschlossen hatte, das Grundstück einer Klinik zur Behandlung benachteiligter Kinder zu stiften, sollte die Ruine im Frühjahr abgerissen werden.
»Darüber haben Sean und ich gerade gesprochen.« Rowan nahm Taires Hand. »Du weißt ja, dass du Milliarden geerbt hast und dir davon mehrere hundert Villen bauen könntest –«
»Kommt nicht infrage«, erklärte Taire kategorisch.
»Das hatte ich mir gedacht.« Rowan drückte ihre Hand. »Die zweite Möglichkeit ist Samuel, der aufgrund vieler gefälschter Dokumente nun dein Vormund ist und es liebend gern sähe, wenn du zu ihm nach Martha’s Vineyard ziehen würdest, wo du von vorn bis hinten bedient wirst, dich im Country Club herumtreibst, mit sehr reichen Jungs gehst und weit besser gekleidet bist als ich.«
»Ich mag Samuel sehr, aber Martha’s Vineyard?« Taire blickte zweifelnd drein.
»Womit wir bei der dritten Möglichkeit wären. Ich würde wirklich gern mit dir zusammenwohnen, aber ich glaube, du hättest gern ein eigenes Apartment. Ich ziehe zu Sean, und meine Wohnung wird frei. Was hältst du davon, gegenüber von uns im
D’Anges
einzuziehen?«
Taire klappte die Kinnlade herunter. »Echt jetzt?«
»Absolut. Es ist natürlich ziemlich klein und einfach, aber wir können neu tapezieren und so. Das Bad müsstest du allerdings mit uns teilen«, setzte Rowan hinzu.
Taire sah ihr in die Augen. »Trick, ich habe monatelang kein Bad gehabt.«
»Gut, aber manchmal verbraucht Sean das ganze heiße Wasser«, warnte Rowan sie. »Und er legt sehr großen Wert auf Sauberkeit. Die Handtücher faltet er so penibel, dass sie nach Origami aussehen. Immer wieder muss ich mir die Hände an einem schnappenden Kranich trocknen.«
Taire kicherte. »Du liebst ihn, und das weißt du.«
Wenn du wüsstest
… »Wir arbeiten dran, aber stimmt – ich liebe ihn.«
»Was ist mit dir und Jean-Marc?«
Rowan hatte Taire ihre romantische Dreiecksgeschichte mit Sean und Jean-Marc erklärt, und das Mädchen hatte die Ménage-à-trois ohne jeden Einwand akzeptiert. »Ich werde die Abende mitunter bei Jean-Marc verbringen«, gab sie zu. »Er, äh, er will mich malen.«
»Oh, der will viel mehr als das.« Ihre Schwester verdrehte die Augen.
»Hört auf, über den verdammten Franzosen zu reden.« Sean war lautlos hereingekommen und hielt Taire ein Snickers unter die Nase. »Dein Nachtisch, Zuckerpuppe.«
Taire sah ihre Schwester an und rümpfte die Nase. »So wird er mich jetzt immer nennen, oder?«
»Besser als Törtchen«, brummte Rowan.
Sie blieben bis zum Ende der Besuchszeit. Taire war eingeschlafen, und Rowan wischte ihr mit der Serviette einen verräterischen Fleck Pizzasoße vom Kinn, bevor sie mit Sean auf Zehenspitzen aus dem Zimmer schlich.
»Und? Für wen hat sie sich entschieden?«, fragte Sean auf dem Weg zur
Weitere Kostenlose Bücher