Schleier der Traeume
Nevada, an das sich viele Verschwörungstheorien knüpften.
Tatsächlich handelte es sich um einen abgedichteten und sterilen Raum von respektablen hundertachtzig Quadratmetern mit eigener Luftschleuse, Stromversorgung und eigenem Sicherheitssystem und einer komplexen, durch viele Filter gehenden Luftversorgung. Nur wer sich von einem Ganzkörperscanner durchleuchten ließ, durfte den Raum betreten, sofern er dazu befugt war. Jeden Tag kontrollierte Sicherheitspersonal akribisch die fugenlosen Stahlwände, den Boden und die Ausrüstung des Labors.
Nichts gelangte in diesen Raum, was nicht zuvor genau untersucht worden war.
Die offizielle Erklärung dafür lautete, dass diese strengen Maßnahmen das empfindliche Material schützen sollten, an dem genetische Experimente vollzogen wurden. Tatsächlich aber dienten diese Vorkehrungen dazu, das eigentliche Motiv für die Versuche zu bemänteln und sicherzustellen, dass im Reinraum keine Aktivitäten oder Gespräche überwacht oder aufgezeichnet wurden.
In letzter Zeit hatte Jonah Genaro, der Vorstandschef von GenHance, viel Zeit im Reinraum verbracht, doch ihm war keine andere Wahl geblieben. Vor einem Monat hatte er unter den Mitarbeitern einen Verräter entdeckt, der Informationen über die vertraulichsten Vorhaben der Unternehmensforschung an die primäre Zielgruppe weitergegeben hatte, die Kyndred. Seither ging Genaro keine Risiken mehr ein.
»Tut mir leid, Sir«, sagte Dr. Elliot Kirchner, als er ihm die Ergebnisse der letzten Testreihe mitgeteilt hatte, und gab seiner Assistentin Nella Hoff die Akte. »Die Ergebnisse belegen durchweg, dass Neuroblocker die negativen Wirkungen weder aufheben noch mildern.«
Genaro musterte die beiden Wissenschaftler. Kirchner, ein großer, grauhaariger Mann mit der reizlosen Statur eines langbeinigen Vogels, wirkte neben seiner winzigen und schmächtigen Assistentin wie ein Vogel Strauß.
»Wer sich das Transerum spritzt, erfährt eine starke, sich schubweise steigernde mentale Destabilisierung«, fuhr Kirchner fort. »Der Zusammenbruch von Selbstbeherrschung und Impulskontrolle erfolgt vierundzwanzig bis achtundvierzig Stunden nach der Injektion.«
Genau das hatten sie erlebt, als Bradford Lawson – ein leitender GenHance-Angestellter, der bei dem stümperhaften Versuch, eine wertvolle Kyndred zu entführen, verwundet worden war – das Transerum gestohlen und es sich gespritzt hatte. »Und ist der Schaden reversibel?«
Kirchner schüttelte den Kopf. »Das Transerum schädigt das Hirn nicht, Sir, sondern verändert es.«
»Dauerhaft«, ergänzte Hoff und nickte dazu so heftig, dass ihr kastanienbrauner Bob wippte.
Als Vorstandschef eines der weltweit größten und profitabelsten biotechnologischen Forschungsunternehmen war Jonah Genaro Erfolg gewöhnt. Unter seiner Leitung erforschte die GenHance GmbH therapeutische Maßnahmen für Dutzende genetische Abnormitäten und Krankheiten und galt zudem als führend in der Entwicklung bahnbrechender genetischer Forschungsverfahren, in deren medizinischer Anwendung und in anderen wichtigen Bereichen der Biotechnologie.
Genaro hatte viel Zeit und Geld investiert, um diese Fassade zu schaffen, aufrechtzuerhalten und sicher zu sein, dass niemand von der eigentlichen Arbeit erfuhr, die hinter dem humanitären Trugbild von GenHance vor sich ging – davon also, dass die DNA der Kyndred verwendet wurde, um ein Serum zu gewinnen, das Menschen genetisch verbessern und in lebende Waffen verwandeln sollte. Und Genaro würde nicht hinnehmen, dass die Arbeit der letzten elf Jahre – und praktisch seine gesamte Existenz – umsonst gewesen wäre.
Nella Hoffs dezentes Blumenparfüm überlagerte ihren Schweißgeruch nicht völlig, und Genaro bemerkte auch ihre fahrigen Handbewegungen und feuchten Schläfen, bevor er sich an seinen leitenden Genetiker wandte. »Wie können wir diese Destabilisierungssache in den Griff bekommen?«
Kirchner runzelte die Stirn. »Wir haben alle denkbaren Modifikationen erprobt, Sir – erfolglos. Wird das Serum in seiner gegenwärtigen Beschaffenheit Menschen injiziert, dann hat das schwerwiegende Folgen.«
»Das ist inakzeptabel.« Ehe der Genetiker antworten konnte, fügte Genaro hinzu: »Falls Sie es vergessen haben sollten: Weltweit wurden schon mehrere hundert Menschen verbessert. Die Kyndred wurden genetisch verändert und mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattet. Dennoch führen sie ein normales Leben – keiner ist wahnsinnig
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