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Schleier der Traeume

Schleier der Traeume

Titel: Schleier der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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Brieftasche: Die lange Reise von Savannah hatte ihre Barschaft ziemlich schrumpfen lassen; was sie noch an Geld besaß, würde nicht für neue Reifen reichen, erst recht nicht dafür, eventuelle Schäden an Fahrgestell oder Motor zu beseitigen. Früher hatte sie den Stadtplan von New York im Kopf gehabt, aber inzwischen stand ihr das Straßennetz von Atlanta, Savannah und Albany vor dem geistigen Auge. »Gibt es in der Nähe eine Bushaltestelle, von der ich zur Hafenbehörde komme?«
    »Ja«, erwiderte er. »Aber das Motorrad können Sie nicht bis dahin schieben und erst recht nicht mit in den Bus nehmen.«
    Das wäre schon das zweite Bike, das sie binnen zweier Monate aufgeben müsste, und dann hätte sie nur noch ihre Beine und öffentliche Verkehrsmittel, um sich in Boston zu bewegen. Doch sie hatte keine Alternative.
    »Das Motorrad nehme ich nicht mit.« Sie löste ihre Hände aus seinen und schob sie in die Taschen, damit sie nicht wieder unwillkürlich nach ihm griff. Zugleich schien ihr Kopf ganz klar zu sein. »Wenn Sie sich bei der Polizei wegen des Bikes beschweren, schicken die jemanden vorbei und lassen es wegschaffen.«
    »Ich habe eine bessere Idee«, beteuerte er. »Sie können bleiben. Und für mich arbeiten. Bis Ihr Motorrad repariert ist.«
    »Hier arbeiten? Im Restaurant?« Rowan begriff nicht, warum er ihr einen Job anbot, bis ihr einfiel, dass er Bernard ausbezahlt hatte.
Er glaubt, ich will ihn übers Ohr hauen
. »Hören Sie, ich zahle Ihnen Ihr Geld wirklich zurück, Dansant. Ich trete in Boston eine Stelle an, und zwar sobald ich dort bin.« Der Ehrlichkeit halber fügte sie hinzu: »Es mag ein paar Monate dauern, bis ich genug verdient habe, um Ihnen zu erstatten, was Sie Bernard gegeben haben, doch das werde ich tun – versprochen.«
    »Ach ja? Aber jetzt sind Sie hier. Und ich habe Arbeit für Sie.« Er spreizte die Hände. »Sie bleiben, arbeiten und zahlen mir mein Geld zurück.«
    »Um welche Arbeit geht es denn?« Sie warf einen Blick auf den Großküchengeschirrspüler hinten in der Ecke. »Soll ich Teller waschen? Ist das nicht arg klischeelastig?«
    »Sie als Spülerin? Niemals.« Er packte das Verbandszeug wieder ein. »Ich denke, Sie wären ein prima
tournant
… ein Hilfskoch, der einspringt, wo Not am Mann ist.«
    Sie wusste, was ein
tournant
war: kaum mehr als ein Sklave, der zwischen allen Stationen herumhetzte, um für die Köche mit festem Tätigkeitsbereich Dinge zu holen und wegzubringen, und der ansonsten die Drecksarbeit erledigen musste, zu der niemand Lust hatte, zum Beispiel Pfannen und Fettabscheider zu reinigen. Dieser Posten war eigentlich als Praktikum gedacht, um ehrgeizigen Jungköchen Gelegenheit zu geben, eine professionelle Küchenmannschaft in Aktion zu erleben und zu lernen, wie an den einzelnen Stellen der Küche gearbeitet wurde. Tatsächlich aber waren
tournants
lausig bezahlte Laufburschen, die stundenlang bis zu den Ellbogen hinauf in Müll und Dreck fuhrwerkten.
    Rowan mochte nie eine Kochschule besucht haben, aber für diesen Job war sie sich zu gut. »Verzichte dankend.«
    »Es ist Arbeit, Rowan.« Er legte ihr die Hände auf die Schultern. »Haben Sie Angehörige hier oder in Boston? Oder sonst jemanden, der Ihnen helfen kann?«
    Sie wollte ihn erneut anlügen, doch bevor sie zu diesem Schluss kam, war ihr das Nein schon aus dem Mund gerutscht.
    »Haben Sie keine Freunde?«
    Sie hatte Freunde, viele sogar, aber die Vorstellung, sie um Hilfe zu bitten, behagte ihr gar nicht. Matthias und Jessa lebten auf seiner Farm in Tennessee, aber sie wäre lieber zu Fuß nach Boston gereist, als Matt anzurufen und ihn um Geld zu bitten. Außerdem hatte sie sich Jessa gegenüber immer verstellt und ihr nicht erklärt, warum sie sie die ganze Zeit über getäuscht hatte, und das hatte auch keine Eile. Und Drew – nach Matt und Jessa ihr engster Freund – war selber weitergezogen, sogar bis nach Kalifornien.
    Nein, dachte sie und ließ letzte Zweifel fahren. Sie war für ihr Leben nun selbst verantwortlich und musste mit diesem Schlamassel allein klarkommen.
    »Rowan?«, fragte er beharrlich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt niemanden, den ich um Hilfe bitten kann.«
    Er strich ihr mit den Händen die Arme hinunter und ließ sie los. »Außer mir.«
    Würde er weiter so lächeln und sie so berühren, würde sie die Wände hochgehen oder ihn auf der Stelle bespringen.
    »Sehr freundlich von Ihnen, mir Arbeit anzubieten, Dansant, doch selbst wenn ich sie

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