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Schleier der Traeume

Schleier der Traeume

Titel: Schleier der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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Münzen zeigen, was du mit dem Metall gemacht hast?«
    Drew runzelte angesichts des Geldes die Stirn. Er spürte die Stücke zu fünf, zehn und fünfundzwanzig Cent gar nicht. »Nicht mit allen Münzen.« Er nahm fünf Centstücke und gab Ron den Rest zurück. Dann konzentrierte er sich und ließ die Wärme bei geöffneter Hand in seinen Kopf zurückkehren.
    Dass die Centmünzen ein wenig zu tanzen begannen, brachte Drew zum Lächeln; dann ließ er sie senkrecht stehen und im Kreis rollen. Immer stärker beschleunigte er sie, indem er mehr und mehr Hitze in sie leitete, und schon veränderten sie ihre Form und verschmolzen allmählich.
    »Großer Gott«, hörte er seine Mutter flüstern.
    Drew war stolz. Er verschmolz die Centstücke zu einem Ring und reduzierte die Hitze, damit sie ihm nicht die Haut verbrannte. Als das Kupfer nicht länger rotierte, erwies sich der Ring als ein wie mit dem Zirkel geschlagener Kreis von gleicher Größe wie die hübschen Armbänder, die seine Mutter so gern trug.
    Cool zu sehen, was er am Vorabend der Wand wegen nicht hatte erkennen können! Er schaute zu seinem Vater hoch. »Das habe ich gestern gemacht, so ähnlich. Ist das okay?«
    Mit zitternden Fingern nahm seine Mutter das Armband. »Nur lauwarm.« Sie gab es Ron, schlug die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen.
    »Mom?« Drew umarmte sie stürmisch. »Tut mir leid. Ich mach’s auch nie wieder.«
    »Nein, Schatz. Schon gut. Du hast ja nichts Schlimmes getan.« Sie unterdrückte ihre Tränen, fuhr sich rasch durchs Gesicht und strich ihm über die Arme. »Es war nur … eine Überraschung, Liebling, aber eine schöne.«
    Drew war sich dessen nicht sicher. Nur einmal hatte er seine Mutter so heftig schluchzen sehen: als er damals im Krankenhaus aufgewacht war.
    »Andrew.« Sein Vater blickte nun streng. »Weiß sonst noch wer davon? Hast du es deinen Schulfreunden erzählt?«
    »Nein, Sir – nur dir und Mom.«
    »Gut.« Seine barsche Stimme klang sofort weniger angespannt. »Hör mir zu, Junge. Wir dürfen keinem außerhalb der Familie von deiner, äh, Fähigkeit erzählen.«
    Drew hätte beinahe gefragt, warum, bedachte dann aber, was er mit seinem Talent alles anrichten konnte. Soweit er wusste, konnte niemand Metall zum Tanzen bringen. Sicher, es gab Magneto in den
X-Men
-Comics, aber der war ein Schurke. Drew dagegen konnte unmöglich ein Bösewicht sein. Er blinzelte zu seinem Vater hoch. »Ich bin eine Art Superheld, nicht? Deshalb müssen wir die Sache geheim halten.«
    Seine Eltern wechselten einen weiteren langen Blick, bevor sein Vater sagte: »Ja, Andrew, genau deswegen.«
    Bridget drückte seine Hände. »Du musst damit vorsichtig sein, Liebling. Metall zum Tanzen zu bringen, ist lustig, aber es kann hart und scharf sein und könnte dich verletzen, deine Freunde, deine Lehrer, sogar mich und Dad. Verstehst du?«
    Drew wusste, dass Metall ihn nie verletzen würde, doch seine Mutter hatte recht: Er mochte zufällig jemanden verbrennen, wenn er es erhitzte, oder jemanden schneiden, wenn er es die Form ändern ließ. »Ja, Ma’am.«
    Sie küsste ihn auf die Stirn. »Und nun lasst uns einen Eisbecher mit heißer Karamellsauce essen. Ich jedenfalls brauche dringend einen.«
    Von diesem Tag an hatte Drew nie Anlass zu bedauern, den Eltern seine Fähigkeit offenbart zu haben. Es änderte nichts an ihrer Liebe zu ihm und schmiedete sie alle eher enger zusammen. Im Laufe der Jahre erkundeten Vater und Sohn gemeinsam, worauf genau Drews Talent sich erstreckte und wie er es nutzen konnte, und Ron brachte ihm dabei mehr über Kupfer, dessen Eigenschaften und Verwendungszwecke bei, als jeder durchschnittliche Hüttenkundler wusste.
    Zwar sagte seine Mutter es ihm erst nach seinem Hochschulexamen, doch sie hatte von dem Tag an, da Drew ihnen sein Talent vorgeführt hatte, seine Geburtsurkunde und so auch seine leiblichen Eltern gesucht. Sie und Ron hatten ihn als Säugling im Rahmen eines Adoptionsprogramms ihrer Kirche bei sich aufgenommen, doch bis auf ein hastig heruntergetipptes Polizeiprotokoll über einen unbekannten älteren Mann, der das Baby kurz nach der Geburt in einer Notaufnahme ausgesetzt hatte, gab es so gut wie keine Unterlagen.
    »Als wärst du aus dem Nichts aufgetaucht«, meinte Bridget traurig. »Deine leibliche Mutter war vermutlich seine Tochter oder Enkelin und hat dich zu Hause geboren. Immerhin hat er dich an einen Ort gebracht, an dem du sicher warst und wo man sich um dich

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