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Schleier der Traeume

Schleier der Traeume

Titel: Schleier der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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getrunken!
    »Na los«, ermunterte Rowan sie.
    Taire schnappte sich das Essen und die Cola. Die Gasse schien zu kippen, und sie musste kämpfen, um sich nicht zu übergeben. Auch brachte sie kein Wort hervor, sondern konnte das Essen nur an sich drücken, damit niemand es ihr wieder wegnahm. Es gehörte jetzt ihr. Rowan hatte es auf den Boden gestellt. Dadurch war es ihr Essen geworden.
    »Und wie heißt du?«, fragte Rowan und spähte noch immer, als wollte sie ihr Gesicht erkennen.
    Blanke Angst ließ Taire rückwärts stolpern, herumfahren und – den Behälter fest umklammert – fliehen. Sie verschwand um die nächste Ecke und lief zwei Querstraßen weiter, ohne sich umzusehen oder etwas anderes zu hören als das wilde Klopfen ihres Herzens.
    Endlich fand sie einen Fleck zwischen zwei geparkten Autos und kauerte sich dort nieder. Sie musste den Atem anhalten und die kalte Coladose ans Ohr drücken, damit das Hämmern nachließ und sie wieder hören konnte.
    Nichts. Keine heraneilenden Schritte, kein Rufen. Taire wartete, um sicherzugehen, und nach ein paar Minuten war klar, dass Rowan ihr nicht gefolgt war.
    Behutsam setzte sie die Dose ab, öffnete den Deckel des Behälters, nahm eine Kräuterkartoffel und schob sie sich in den Mund. Die ungewohnte Empfindung, den Mund voller Essen zu haben, ließ sie beinahe würgen und trieb ihr Tränen in die Augen.
    Langsamer langsamer langsamer
.
    Taire nahm die Kartoffel aus dem Mund und hielt sie wie einen Apfel, um kleine Bissen zu nehmen. Sie schmeckte seidig und nach Butter, Thymian und Rosmarin, und wieder wollte sie sie im Ganzen verschlingen und musste all ihre Willenskraft aufbieten, um sie in kleinen Happen zu essen.
    Das Huhn war noch besser. Sie nahm eine goldbraune Keule aus dem Behälter und schnupperte daran, bevor sie die Zähne in das wohlriechende, saftige Fleisch schlug. Etwas Weiches, Dunkles, Dünnes befand sich unter der Haut und breitete sich köstlich in ihrem Mund aus – der Geschmack war so herzerwärmend und herrlich, dass sie aufstöhnte.
    Großer Gott, ist das lecker!
    Taire wusste: Wenn sie nicht aufhörte, alles so schnell in sich hineinzustopfen, müsste sie sich übergeben, denn so viel köstliches, gehaltvolles Essen würde in ihrem Magen, der ihr wie ein bodenloser Abgrund vorkam, einen Schock bewirken. Da sie nichts aufbewahren konnte, musste sie alles noch an diesem Abend essen, aber das brauchte ja nicht hier zu geschehen. Sie konnte doch Pausen einlegen und die ganze Nacht damit verbringen, ihr Mahl zu genießen.
    Aber sie konnte nicht erwarten, die Cola zu probieren. Also öffnete sie die Dose und nahm einen kleinen Schluck. Er war so kalt und süß, dass ihr die Zähne wehtaten, und sie verschüttete sogar ein wenig, weil ihre Hand zitterte. Als sie die Tropfen vom Dosenrand leckte, schmeckte sie etwas weniger Süßes, etwas Herbes, Trockenes, das sie an den Vorabend denken ließ, daran, wie Rowan den jungen Sprayer ruhiggestellt hatte und dabei ein bläuliches Schimmern aus ihren Ärmeln gedrungen war. Daran hatte sie kaum mehr gedacht, vielleicht weil auch das ein Schock gewesen war wie dieses Essen, wie die Tatsache, dass plötzlich so viel zur Verfügung war, nachdem sie lange ohne alles gelebt hatte …
    Taire lachte lautlos und weinte zugleich stumm.

7
    Nach ihrem ersten Arbeitstag im
D’Anges
schleppte Rowan sich die Treppe hoch, stolperte splitternackt zum Futon und fiel bäuchlings in die Kissen. Kaum waren die Augen geschlossen, schlummerte sie schon und schlief, bis der Hunger und ihre Blase sich zusammentaten, um sie aus dem Bett zu treiben.
    Ins Bad? Oder in die Küche? Erst zur Toilette
.
    Sie stapfte nackt Richtung Bad, blieb aber stehen, als ihr einfiel, dass sie es mit ihrem Nachbarn teilte. »Verdammt.« Sie zog Jeans und T-Shirt an und schloss die Wohnungstür auf.
    Der Treppenabsatz war leer, und durch Meridens Tür drang kein Licht. Da auch die Tür zum Bad ein wenig geöffnet war, nahm sie an, allein zu sein.
    Kaum trat sie ins Bad, merkte sie, dass sie sich getäuscht hatte.
    Nur in Jeans stand Sean Meriden am Waschbecken, entfernte mit einer Klinge Schaum vom weitgehend rasierten Gesicht und entdeckte sie im Spiegel. Er roch nach Seife, Menthol und Hitze und hatte kleine Wassertropfen im blonden Bürstenschnitt und auf den glatten Rückenmuskeln. Das Licht, das durch das kleine Fenster fiel, ließ die Tropfen leuchten und ihn wie kristallisiert wirken.
    »Morgen.« Normalerweise hätte sie sich kurz Zeit

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