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Schleier der Traeume

Schleier der Traeume

Titel: Schleier der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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erzählt, wann ihre Arbeit begann. »Ich fange um sechs an.«
    »Wenn du nicht eine Viertelstunde früher da bist« – er klopfte mit dem Finger an die Wanduhr –, »bist du zu spät.«
    Der finstere Blick ließ auf schlechte Laune schließen. »Tut mir leid, Chef. Passiert nicht wieder.« Sie sah sich rasch um. »Haben Sie Meriden – äh, den anderen Mieter – weggehen sehen?«
    »Bin ich etwa dein Pförtner?« Er machte eine unwillige Handbewegung. »Draußen wartet ein Lieferwagen, und es gibt jede Menge Regale aufzufüllen. Also raus zum Ausladen.«
    Rowan ging Richtung Hintertür.
    »Trick.« Als sie sich umdrehte, warf Lonzo ihr eine Schürze zu. »Das ist deine Uniform – wenn ich dich noch mal ohne sehe, putzt du eine Woche lang Fisch.«
    Das musste sie wahrscheinlich sowieso tun. »Verstanden, Chef.«
    Der Fahrer des Lieferwagens war kaum weniger verärgert über sie als Lonzo, doch Rowan sagte kein Wort, hielt den Blick gesenkt und entlud die für das
D’Anges
bestimmten Kisten. Als sie den letzten Karton hineintrug, tauchte ein neuer Transporter auf. Während sie auch den auslud, trudelten die Köche ein. Niemand bot ihr Hilfe an, doch Rowan hütete sich, um Unterstützung zu bitten. Vince, der
rôtisseur
, stand vor der Hintertür, um eine Zigarette zu rauchen und sie zu beobachten.
    Rowan mochte ihn von allen Köchen am wenigsten. Er war vielleicht zehn Zentimeter kleiner als sie, aber gut vierzig Kilo schwerer und hatte drahtiges, rotblondes Haar und ein pummeliges Gesicht. Rosazea blühte ihm wie Hitzeausschlag auf Kinn und Wangen, und viele geplatzte Blutgefäße um die Nasenlöcher bestätigten ein ernstes Alkoholproblem. Seine hellbraunen Augen lagen zwischen den aufgedunsenen Tränensäcken und tiefen Falten eines weit älteren Mannes. Am Vorabend war er mehrmals auf dem Küchenklo gewesen, und weil seine weiße Küchenuniform wie ein Aschenbecher roch, vermutete sie, dass er sich dort jeweils eine Zigarette gegönnt hatte.
    Vince sprach mit der hohen, pfeifenden Stimme eines abgehalfterten Boxers, der zu oft an Nase und Kehle getroffen worden war, und redete – wenn überhaupt – nicht mit ihr, sondern mit ihren Titten. »Gefällt dir der neue Job, Baby?«
    »Ich liebe ihn.« Rowan zählte die Kisten, bevor sie den Lieferschein des Fahrers prüfte und abzeichnete. Sie bückte sich nach einem Karton, und als sie sich aufrichtete, umgab sie eine Qualmwolke. Er hatte sich etwas anders hingestellt, um ihr seinen Rauch ins Gesicht zu blasen, aber sie würde nicht mal hüsteln. »Diese Dinger werden Sie noch umbringen.«
    »Die oder der Whiskey«, pflichtete er ihr bei, linste erneut auf ihre Brust und schürzte dabei die Lippen, als beurteile er sie für einen Schönheitswettbewerb. »Danz hat dir oben eine Wohnung gegeben, hab ich gehört.«
    Sie wollte die Kiste hineintragen, doch er versperrte ihr mit seinem kräftigen Arm den Durchgang. Der Karton war schwer, und hätte sie sich geduckt, wäre er ihr entglitten. »Ja. Hat er.«
    »Fühlst du dich nicht einsam da, so ganz allein?« Er bleckte seine schiefen, nikotingelben Zähne. »Vielleicht magst du später ein bisschen Gesellschaft?«
    Ihm zu sagen, sie sei lesbisch, würde ihn vermutlich nur anmachen. »Ich habe schon Gesellschaft, danke.«
    »Ach ja? Wen? Doch nicht Danz«, gab er sich selbst zur Antwort. »Er steht nicht so auf Damen, wenn du weißt, was ich meine.«
    »Der Typ in der Nachbarwohnung schon.« Sie beugte sich in seine Qualmwolke. »Der ist so eins fünfundneunzig, wiegt hundertzehn Kilo und ist Kfz-Mechaniker. Kennen Sie den?«
    Vince räusperte sich. »Den Iren – sicher, hab ich schon gesehen.« Er versuchte sich an einem Grinsen. »Ist nicht deine Kragenweite, Baby.«
    »Tja, Sie sollten nicht auf Ihre Freundinnen hören.« Sie musterte ihn von oben bis unten. »Es kommt eben
doch
auf die Größe an.«
    Er ließ den Arm sinken, und sie trug die Kiste hinein. Lonzo stand direkt hinter der Schwelle, doch diesmal sah er nicht finster drein, sondern starrte sie an, als wäre ihr gerade ein zweiter Kopf gewachsen.
    Und tschüss
, dachte Rowan und schrieb ihren Job ab.
    »Vince«, rief Lonzo, ohne den Blick von ihr zu nehmen. »Schmeiß die Kippe weg und bring endlich die Kisten rein.«
    Alles, was Vince darauf sagte, war ein bemerkenswert kleinlautes »Ja, Chef.«
    Meriden hielt am ersten Münztelefon und wählte die Nummer, die Gerald King ihm gegeben hatte, damit er seinen täglichen Bericht erstatten konnte.
    »Ich war

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