Schleier der Traeume
machen Sie, wenn ich aufhöre, den Fisch zu putzen?«
»Dann werd ich dir was husten«, rief Lonzo zurück.
»Sehen Sie?« Rowan griff in den Fisch, ertastete die Stelle, wo die Eingeweide unten am Kopf zusammenkamen, und schnitt sie heraus. »Warum nimmt Ihr Lieferant die Tiere nicht aus?«
»Er bezieht sie von einer Fischfarm und transportiert sie in Tanks in die Stadt. So bleiben sie bis kurz vor der Lieferung am Leben«, erwiderte Dansant. »Ich ziehe es vor, sie von meinen Köchen ausnehmen zu lassen.«
»Wolfsbarsch aus Fischfarmen, in Tanks hergeschafft.« Rowan schüttelte amüsiert den Kopf.
Er ging nicht, sondern sah zu, wie sie die Leber auskratzte und die Reste der Schwimmblase entfernte. »Haben Sie das früher schon gemacht?«
»Nein«, gab sie zu. »Aber ich bin mit Messern ganz gut, und man braucht mir nur einmal zu zeigen, wie man etwas macht.« Sie spürte, dass ihr Gespräch die Aufmerksamkeit der anderen Köche erregte, und das ließ ihre Schultern kribbeln. Sie wollte den Eindruck vermeiden, von Dansant verhätschelt oder irgendwie besonders behandelt zu werden, damit Skepsis und Misstrauen des Personals nicht in Ablehnung und Verachtung umschlugen. »Soll ich sonst noch was erledigen, Chef?«
»Ja.« Er musterte ihr Gesicht. »Tun Sie Eis ins Wasser« – er wies mit dem Kopf auf das Becken, in das sie die geputzten Fische geworfen hatte –, »damit die Wärme den Geschmack nicht beeinträchtigt.«
Rowan nickte erleichtert, wusch sich die Hände rasch unterm Wasserhahn, griff sich eine Schaufel und eilte zur Eismaschine.
Kaum hatte sie den letzten Fisch ins Eiswasser geworfen, rief Lonzo sie an einen der Zubereitungstische, wo ein Korb mit braunen, runzligen Morcheln und ein riesiges Sieb voller hellgrüner Erbsenschoten neben einer kleinen, mit Tüchern umwickelten Holzkiste standen.
»Wenn wir mit den Hühnern fertig sind, putzt du die Erbsen«, sagte er und schälte die Kiste aus den Tüchern. Rowan nahm das Sieb und brachte es zum Spültisch, während er den Deckel hob. Zwölf hässliche schwarze Klumpen kamen zum Vorschein, die wie verkohlte Eier in einer Art luftdichtem Behälter lagen. Als Rowan Stielaugen machte, nahm der Koch einen der größten Klumpen heraus und hielt ihn ihr unter die Nase. »Weißt du, was das ist?«
Sie wollte den berauschenden Wohlgeruch nicht einatmen, doch er war ihrer Nase so nah, dass sie nicht widerstehen konnte. Es duftete nach Erde und Regen und auch ganz schwach nach Haselnuss. »Das ist eine Trüffel.«
»Eine schwarze Périgord-Trüffel.« Er drehte sie so behutsam in der Hand wie ein frisch geschlüpftes Küken. »Vor zwanzig Jahren konnte man die nur aus Europa beziehen. Die Franzosen haben sie exportiert, aber der Versand dauerte mindestens eine Woche, und was sie geschickt haben, war alt oder zu klein.« Lonzo schnaubte verächtlich. »Diese gierigen Mistkerle haben die besten Trüffel für sich behalten.«
Sie hatte von diesen seltenen und ungemein hochgelobten Speisepilzen in Kochbüchern gelesen, sich aber – da sie pro Kilo fast viertausend Dollar kosteten – nie auch nur eine winzige Trüffel leisten können. »Sind die wirklich so gut?«
»Ihretwegen gehe ich sonntags in die Kirche«, gab Lonzo ungerührt zurück, »und gelobet sei Gott für Seine Liebe zu uns.« Er zog ein sehr dünnes, feingeschliffenes Messer aus einem schwarzen Tuch neben dem Schneidebrett. »Jetzt wollen Trüffel-Experten diese Pilze bei uns heimisch machen. Wenn alles gut geht, haben wir in einigen Jahren alle schwarzen Diamanten, die wir wollen«, fügte er hinzu und verwendete dabei den extravaganten Spitznamen dieses Pilzes.
»Soll ich die Diamanten waschen?«, fragte Rowan, und Lonzo zog die Trüffel so abrupt zurück, als hätte sie darauf spucken wollen. Dansant kam und wählte noch drei Pilze aus der Kiste. »Oder vielleicht könnte ich zusehen.« Sie wollte ihren neuen Chef gern einmal bei der Arbeit sehen.
»Dafür hast du keine Zeit.« Lonzo trat zwischen die beiden und drückte ihr mehrere perforierte Plastikbeutel mit frischem Rosmarin, frischem Thymian und frischer Minze in die Hände. »Wasch die Kräuter, such sie auf schwarze Flecken ab und bring sie George.«
Dansant zwinkerte ihr über Lonzos Schulter hinweg zu. Rowan unterdrückte ein Kichern und ging mit den Beuteln zum Spülbecken.
Obwohl sie eifrig arbeitete, konnte Rowan sich ein wenig umdrehen und Dansant mit Lonzo arbeiten sehen. Nachdem der
garde-manger
die kostbaren Trüffel
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