Schleier der Traeume
merklich gewesen – ein leichtes Straffen der Schultern, ein minimales Erschlaffen der Lider, ein etwas zu weicher Händedruck –, hatten ihr aber verraten, dass er sie attraktiv fand. Diskrete Nachfragen bei einigen Kolleginnen hatten ergeben: Der Sicherheitschef besaß eine Schwäche für zierliche Frauen. Je kleiner, desto besser.
»Seine letzte Freundin war diese kleine Asiatin«, hatte eine Sekretärin aus der Buchhaltung Nella beim Mittagessen erzählt. »Wir hielten sie für seine Stieftochter oder so, bis Dave aus dem Vertrieb herausfand, dass sie geschieden war und ein Kind hatte. Wissen Sie, wie sie ihn genannt hat, selbst vor anderen Leuten?« Sie kicherte. »Big Daddy Don.«
Ihre Recherchen enthüllten mehr über Don Delaportes Vorliebe für kleine, zarte Frauen. Der Sicherheitschef hatte den Großteil seiner jüngeren Jahre beim Militär verbracht und nach seiner Entlassung als Söldner gearbeitet.
Obwohl sein Lebenslauf als Soldat und Zivilist makellos war, hatten einige ehemalige Kameraden bestätigt, dass er seine Freizeit gern mit besonders jungen Prostituierten verbracht hatte. Während seiner einjährigen Stationierung in Thailand hatte er sich sogar eine minderjährige Hure in die Wohnung geholt und sie den Kameraden gegenüber als Haushälterin ausgegeben.
»Big Daddy Don« Delaporte mochte offenbar Frauen, deren Körper ihn an die guten alten Zeiten erinnerte, als er sich für zwanzig Dollar eine Nacht mit einer Zwölfjährigen kaufen konnte.
Dass den Sicherheitschef allein ihre mädchenhafte Figur anzog, widerte Nella an, doch eben das gab ihr ihm gegenüber einen Vorteil, den sie sonst nicht gehabt hätte. Und nachdem sie bei Kirchner nichts hatte ausrichten können, musste sie darauf setzen.
»Ich habe Ihrer Assistentin eine kleine Notlüge untergejubelt«, begann Nella, senkte das Kinn und schlang die Finger gespielt nervös ineinander. »Ich bin nicht wegen der Sicherheit des Labors hier, sondern um etwas zu berichten, das ich beobachtet habe.« Sie hatte den Ton ihrer Stimme geflissentlich geändert und ließ sie jünger und unsicherer klingen. »Etwas, das ich vermutlich nicht hätte sehen sollen.«
Delaporte schlug ein Notizbuch auf und zückte seinen Kugelschreiber. »Schießen Sie los.«
»Müssen Sie das aufschreiben?« Sie verzog das Gesicht. »Tut mir leid. Ich bin in dieser Sache zwiegespalten. Wissen Sie, ich bin nicht vollkommen einverstanden damit, wie Dr. Kirchner das Labor führt. Ihnen davon zu berichten, könnte missgünstig wirken.«
»Unser Vorstandschef erwartet von uns, das Richtige für unser Projekt und die Firma zu tun«, entgegnete Delaporte in sehr väterlichem Ton. »Falls Sie etwas gesehen haben, das die Regeln verletzt oder ein Sicherheitsrisiko darstellt, müssen Sie es melden, Nella.«
Jetzt war sie Nella, nicht mehr Dr. Hoff. Ihm gegenüber wie eine junge, dumme Gans aufzutreten, funktionierte also.
»Gut.« Sie atmete langsam und bebend aus. »Neulich abends bin ich lange im Labor geblieben, um die laufenden Simulationen zu überwachen. Ich hätte sie natürlich auch am nächsten Morgen prüfen können, aber da das Projekt in einer entscheidenden Phase ist, habe ich den Eindruck, ich sollte alles genau im Blick behalten. Ich möchte schließlich nicht, dass etwas schiefgeht.«
Er nickte beifällig. »Nur weiter.«
»Mir war nicht bewusst, dass auch Dr. Kirchner bis spät in die Nacht im Labor war. Als ich aus dem Aufenthaltsraum eine Limonade holen ging, kam er aus dem Musterlager.« Sie biss sich auf die Unterlippe und gab sie langsam wieder frei. »Er hatte ein Handy in der Rechten und telefonierte.«
Delaporte bekam schmale Augen. Er kannte das neue Verbot, Handys ins Gebäude mitzubringen; er selbst hatte die betreffende Aktennotiz verfasst. »Wissen Sie, mit wem er gesprochen hat?«
Sie schüttelte den Kopf. »Kaum hatte ich gesehen, was er tat, trat ich hinter einen Schrank. Warum, weiß ich nicht. Vermutlich hatte ich Angst. Konfrontationen gehe ich ganz gern aus dem Weg.« Sie stieß ein leises Lachen aus. »Ich habe nicht viel von dem verstanden, was er sagte, aber er hat das Transerum und die dominante Kyndred erwähnt, nach der Mr Genaro sucht.« Sie wartete, bis er mit dem Schreiben fertig war und wieder zu ihr hochsah. »Eines aber habe ich genau gehört. Er sagte, sie seien binnen zwölf Stunden da. Mr Delaporte, er muss über die Leute gesprochen haben, die nach New York geschickt wurden, um dieses Mädchen zu
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