»Ich brauche ein Büro, einen PC mit Internetzugang und einen abhörsicheren Festnetzanschluss.« Er stand auf und benutzte seinen Gehstock als Stütze. »Sofort.«
Während der Geschäftsführer ihn durch den Speisesaal und ein Flurlabyrinth zu den Büros führte, prüfte Taske, von wann die Nachrichten waren. Vulkan hatte ihn seit zwei Wochen täglich zu erreichen versucht. Dann bemerkte er die unscheinbaren Notizen am unteren Rand von drei Zetteln: Offenbar hatte er in den letzten drei Tagen alle vier Stunden angerufen, um die gleiche Nachricht zu übermitteln.
Der Geschäftsführer geleitete ihn in ein großes Büro mit imponierender Computerausrüstung und sauber aufgeräumtem Schreibtisch. Er eilte um den Tisch, schaltete den PC ein und sprang zur Seite, um Taske Platz zu machen.
»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Sir?«
Taske sah kurz auf. »Verschwinden.«
»Jawohl, Sir.« Der Mann verneigte sich sogar ein wenig. »Danke, Sir.«
Taske zog die Handschuhe aus – Leder an den Fingern zu tragen, wäre beim Tippen zu mühsam gewesen – und setzte sich. Der Computer wirkte neu, doch Staub und Rückstände zwischen den Tasten verrieten, dass er schon benutzt worden war. Taske konzentrierte sich, sammelte seine Gedanken und legte die Hände auf die Tastatur.
Farben, Umrisse und Bewegungen blitzten hinter seinen Augen auf und wollten seine geistigen Barrieren überwinden und zu Bildern zusammentreten. In jahrelanger Meditation und Selbstdisziplinierung hatte er gelernt, diese Erscheinungen aus seinen Gedanken zu verbannen, doch noch immer gelang das nicht jedes Mal. Zum Glück war die Tastatur recht neu und hatte noch nicht viele Impressionen aufnehmen können. Je älter und gebrauchter ein Gegenstand war, desto schwerer fiel es ihm, dessen gesamte Geschichte auszublenden.
Als die Visionen abgeklungen waren, konnte Taske die Tastatur ohne Beeinträchtigung nutzen. Er ging ins Internet und öffnete sein Mailkonto, das den Namen eines längst verstorbenen Alchemisten trug.
Er hatte auf der Reise nicht daran gedacht, seine Mails abzurufen, und nun hatte er über dreihundert Nachrichten im Posteingang. Ein Drittel davon stammte von Vulkan; um Zeit zu sparen, öffnete er nur sein jüngstes Schreiben.
Von:
[email protected] An: Paracelsus
Betreff: Aphrodite verschwunden
Datum: 30 . 10 . 2009, 16:34 Eastern Daylight Time
Nur drei Dinge sind für uns wichtig. Die Göttin Aphrodite betet für verschwundene Geliebte, und kein anderer göttlicher Kontakt ist wichtiger. Seit Jahrhunderten – seit dem fünfzehnten oder sechzehnten Jahrhundert etwa – beschwören wir den heiligen David, um die weiße Magie so bald
wie möglich zurückzubringen.
Erfolg und ein langes Leben!
Ihre Zahlen in der Glückslotterie lauten 62 7 64 35 25 20.
Der Code war einfach und ergab sich aus der Wortfolge im zweiten und dritten Satz. Taske las die Mail erneut und griff nur jedes dritte Wort heraus:
Aphrodite verschwunden. Kein Kontakt seit dem Sechzehnten. Anruf David White so bald wie möglich
. Die Lottozahlen lieferten die Telefonnummer, und aus der Vorwahl 627 ließ sich schließen, dass White sich gegenwärtig im nördlichen Kalifornien aufhielt.
Die Neuigkeiten erschütterten Taske. Aphrodite war eine seiner ältesten Freundinnen bei den Takyn und die Erste der Gruppe, die er durchs Internet aufgespürt hatte. Im Laufe der Jahre hatte sie ihm auf vielerlei Weise geholfen und vor allem Strategien für ihn aufgetan, seine besondere Fähigkeit zu beherrschen und weiterzuentwickeln. Wie er rang auch sie mit einem mächtigen Talent, das sie emotional gezeichnet hatte, und obwohl sie nie ins Detail gegangen war, vermutete er, dass sie zu den wenigen Gestaltwandlern der Takyn gehörte.
Vulkan hätte ihn nicht um Rückmeldung gebeten, wenn die Lage nicht wirklich bedrohlich wäre, und so mailte Taske ihm sofort.
Nachdem er die Handschuhe wieder angezogen hatte, zog er ein kleines Gerät aus dem Jackett, klemmte es an das Kabel zwischen dem Telefon auf dem Schreibtisch und der Steckdose in der Wand, schaltete es ein, nahm den Hörer ab und wählte die Lottozahlen.
Schon beim ersten Klingeln antwortete jemand. »White.«
Obwohl sie nie miteinander telefoniert hatten, kam ihm die Stimme sofort bekannt vor. Sie alle besaßen eine namenlose Verbindung, die sie einander auf eine seltsame Art bewusst sein ließ. »Hier Paracelsus. Ich habe gerade Ihre Nachricht bekommen. Gibt’s inzwischen etwas Neues?«
»Noch nicht. Ist Ihre