Schleier der Traeume
Leitung abhörsicher?«
»Ja. Erzählen Sie mir alles.«
Rasch berichtete ihm der Mann, den er als Vulkan kannte, die Einzelheiten von Aphrodites Verschwinden. In ihrer letzten Mail an Taske hatte sie geschrieben, sie ziehe nun nach Boston und sei eine Woche lang nicht zu erreichen. Jetzt war sie schon zwei Wochen verschwunden.
»Was hat sie in New York gemacht?«, fragte er, als Vulkan fertig war.
»Keine Ahnung. Vielleicht wollte sie ihre Adoptiveltern besuchen. Ich weiß, dass sie dort aufgewachsen ist.«
Taske erinnerte sich eines spätabendlichen Chats, bei dem Aphrodite sich ungewohnt offen über ihre Jugend geäußert hatte. »Zu denen würde sie nie freiwillig zurückkehren; eher würde sie obdachlos werden. GenHance?«
»Ich versuche, mich in deren Datenbank zu hacken, aber bisher ist mir das nicht gelungen. Unsere Beobachter in Atlanta sagen, seit unserem Verlust von Savannah gab es keine neuen Lieferungen.« Er zögerte kurz. »Sie hat Matthias verlassen, und das nicht im Guten. Sie hat ein gebrochenes Herz.«
Er seufzte. »Haben wir das nicht alle?«
»Damit will ich sagen: Vielleicht ist sie abgetaucht und hat den Kontakt zu uns willentlich abgebrochen.«
»Nicht Aphrodite«, erwiderte Taske entschieden. »Haben Sie die Krankenhäuser überprüft?«
»Täglich.« Vulkan klang niedergeschlagen. »Niemand, auf den ihre Beschreibung passt, wurde eingeliefert.«
Damit war die Sache für Taske entschieden. »Ich fahre noch heute Abend nach New York. Mailen Sie mir ihren letzten bekannten Aufenthaltsort, eine Beschreibung ihres Motorrads und alle Fotos, die Sie haben.«
Vulkan stieß ein leises, trockenes Lachen aus. »Und ich hatte gedacht, ich müsste Sie zum Aufbruch überreden.« Seine Stimme wurde wieder ernst. »Egal, was ihr zugestoßen ist – wir müssen sie zurückholen.«
Taske betrachtete seine behandschuhte Rechte. »Mein Freund, ich werde nicht aufhören, sie zu suchen, bis uns das gelungen ist.«
10
Nella Hoff wartete, bis Elliot Kirchner sich wieder ins Mikroskopieren vertiefte, und verließ das gesicherte Labor. Seit sie ihn vor Jonah Genaro bloßgestellt hatte, rechnete sie mit einer chauvinistischen Reaktion – etwa dass er sie zu seinem Mädchen für alles machte –, doch das Verhalten des Chefgenetikers ihr gegenüber hatte sich anscheinend nicht geändert. Das enttäuschte sie, denn wäre er wütend gewesen, hätte sie das nutzen können, um ihn ins Bett zu bekommen. Männer vögelten liebend gern Frauen, für die sie Verachtung empfanden; so beglichen sie Rechnungen am liebsten und übten zugleich Dominanz aus.
Nella verstand das, denn sie empfand Männern gegenüber genauso. Nichts erregte sie mehr, als einen aufgeblasenen Drecksack zwischen ihren Schenkeln auf Normalmaß zu stutzen.
Da sie bei Kirchner also nicht bekommen würde, was sie haben wollte, war es Zeit, auf Plan B umzuschwenken. Nachdem sie sich auf der Toilette hergerichtet hatte, nahm sie den Aufzug hinunter in die Sicherheitsabteilung.
»Guten Tag, Dr. Hoff«, grüßte die Frau am Empfang. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich müsste Mr Delaporte sprechen, falls er kurz Zeit hat.« Nella warf rasch einen Blick auf seine geschlossene Tür. »Es geht um die Sicherheitsvorkehrungen im Labor.«
»Moment, bitte.« Die Rezeptionistin nahm ihren Hörer, drückte den Knopf der Gegensprechanlage und wiederholte, was Nella gesagt hatte. Pause. »Ja, Sir. Danke.« Sie legte den Hörer auf und lächelte, als sie ihre Handtasche aus der Schublade ihres Tisches nahm. »Treten Sie einfach ein, Dr. Hoff.«
Nella sah zu, wie die Empfangsdame ihren Platz verließ, begab sich zu Delaportes Tür, schüttelte ihr Haar zurecht und trat ein.
»Dr. Hoff.« Der Sicherheitschef erhob sich hinter seinem Schreibtisch und wies auf den Stuhl gegenüber. »Bitte setzen Sie sich.«
Nella nahm mit einem Dankeslächeln Platz und ließ den Rocksaum dabei bis über die Knie hinaufrutschen, tat aber, als hätte sie das nicht bemerkt, um Delaporte Gelegenheit zu geben, ihre Schenkel bis dort zu betrachten, wo die Strümpfe endeten und die Strapse begannen.
Don Delaporte gehörte zu Jonah Genaros ergebensten Speichelleckern, und normalerweise hätte Nella unter keinen Umständen mit ihm kokettiert. Er hatte Übergewicht, eine Schlägervisage und das Charisma eines Pappkartons. Aber an ihrem ersten Arbeitstag bei GenHance, als Kirchner sie ihm vorgestellt hatte, war ihr seine Körpersprache aufgefallen. Die Veränderungen waren kaum
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