Schleier des Herzens (German Edition)
ein paar Minuten später hättest du dich im Paradies wieder gefunden.« Der Arzt verneigte sich höflich und machte sich dann auf den Weg.
Beatriz richtete sich auf.
»Soll ich Euch in Eure Gemächer tragen, Herrin?«, bot Mustafa an.
Beatriz schüttelte den Kopf. »Nein, ich werde hier noch etwas ruhen, und dann hoffe ich, dass mir eines der Mädchen in ein Becken mit kühlem Wasser hilft, damit ich mich reinigen kann. Danach darfst du mich zurückbegleiten. Und so lange .... Léon, ich bin nicht verrückt! Ich habe mit diesen Türen um mein Leben gekämpft. Sie waren verschlossen!«
Mustafa versuchte, nicht allzu ungläubig zu wirken. Um Beatriz abzulenken, fügte er weitere Eiswürfel zu Kompressen zusammen und legte sie um ihre Waden, wie der Arzt geraten hatte.
Wie süß es war, ihren Körper zu berühren. Mustafa sehnte sich danach, ein Mann zu sein ...
Schließlich half Ayesha Beatriz in die Bäder, und Mustafa wartete auf sie.
»Du musst mir glauben, Léon! Die Türen waren verschlossen ...«
Beatriz’ Stimme und ihre Beteuerungen ließen ihn nicht los. Mustafa beschloss, sich die Türen einmal näher anzusehen. Sorgfältig untersuchte er Tür und Rahmen der Pforte zum Umkleideraum. Nichts. Alles war unversehrt. Bei der Tür zum Kaltwasserbecken wurde er jedoch fündig! Am Rahmen befanden sich winzige Kratzer. Mustafa betastete den Boden davor und fand kleinste Holzspäne. Möglicherweise von einem Keil. Man würde es sicher nie beweisen können, aber für Mustafa gab es keinen Zweifel: Beatriz hatte nicht geträumt! Jemand hatte die Türen mit Holzkeilen zwischen Pforte und Rahmen blockiert. Der Vorfall im Dampfbad war kein Unfall, es war ein Mordversuch.
»Aber wann wurden die Keile denn dann wieder entfernt?«, fragte Ayesha. Sie hatte Beatriz nach dem Bad in ihre Räume begleitet und hörte nun Mustafas Bericht zu, während Beatriz ein Glas Fruchtsaft nach dem anderen leerte wie eine Verdurstende. Die entsetzte Susanna schenkte ihr immer wieder nach.
Die kleine Yasmina war mit tausend Dankesworten und einem großen Honigkuchen in die Küche zurückgeschickt worden.
»Wie soll überhaupt jemand anders ungesehen in die Bäder gekommen sein? Vor der Tür stand doch wohl dieser riesige Neger, der die Herrin neuerdings auf Schritt und Tritt verfolgt«, meinte auch Susanna skeptisch. »An dem kam garantiert niemand vorbei.«
Mustafa zuckte die Schultern.
»Der Täter kann vorher schon in den Bädern gewartet haben. Oder durch einen anderen Eingang hereingekommen sein. Ganz sicher ist er – oder sie! – durch eine anderePforte heraus. Das ist doch nicht schwierig. Und was den Zeitpunkt angeht ... die Herrin wird geschrieen und gegen die Türen geschlagen haben. Der Mörder brauchte nur zu warten, bis der Lärm verebbte. Und dann noch ein bisschen Zeit verstreichen lassen. Von der Entkräftung bis zur Ohnmacht war es nicht lange hin.«
»Das klingt machbar«, gab Ayesha zu.
»Es klingt nicht nur so, es ist die einzig mögliche Erklärung«, sagte Beatriz. »Ich weiß, dass diese Türen verschlossen waren, ich war im vollen Besitz meiner geistigen Kräfte, als ich versuchte, sie zu öffnen. Aber zehn Minuten später konnte Léon sie mit einem Finger aufstoßen. Da hat jemand herumgespielt. Das war keine Zauberei!«
Ayesha nickte. Sie verstand die Anspielung. »Nein. Wer sich das ausgedacht hat, setzt nicht mehr auf Geisterbeschwörung. Diese Hexe hat die Sache selbst in die Hand genommen!«
Der Emir glaubte nicht an die Mord-Theorie. Verschwörungen in seinem Harem wollte er nicht wahr haben. Da hoffte er schon lieber, dass sich die Vermutungen des Arztes bewahrheiteten. Beatriz schüttelte jedoch überzeugt den Kopf. Schließlich hatte sie sich Amir erst wenige Tage zuvor zum ersten Mal ganz hingegeben. Selbst wenn sie dabei ein Kind gezeugt hätten – so schnell machte sich die Schwangerschaft nicht bemerkbar.
Auf jeden Fall war Amir äußerst glücklich und dankbar und überschüttete sowohl Mustafa als auch die kleine Yasmina mit Geschenken. Schließlich war es ihr Versäumnis gewesen, das Beatriz’ Rettung erst möglich machte. Das kleine Mädchen wusste nicht, wie ihm geschah, als es plötzlich von der Seite seiner zänkischen Mutter in der Küche zur Erziehung in den Harem überwechselndurfte. Wenn sie alt genug wäre, so versprach der Emir, würde er ihr eine hohe Mitgift zur Verfügung stellen und sie mit einem Würdenträger des Reiches vermählen. Vorerst nahm sich Ayesha ihrer
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