Schleier des Herzens (German Edition)
zu beobachten. Und das des Emirs ... Nein, Mustafa, ich glaube, du willst mir sehr gern dienen ...«
In Mustafa krampfte sich alles zusammen. Wie alle anderen Opfer Zarahs hatte er schon oft daran gedacht, sein eigenes Leben zu opfern, um ihre geheimen Praktiken aufzudecken. Wie man munkelte, hatte es auch schon mal jemand versuchen wollen, jener Eunuch, den man dann wegen Unzucht im Innenhof der Alhambra geköpft hatte.Zarah war ihm zuvor gekommen, hatte infame Anschuldigungen gegen ihn in die Welt gesetzt. Hier bestand also sicher Gefahr. Aber Beatriz! Wie konnte sie auf den Gedanken kommen, Beatriz da hineinzuziehen?
Zarah hielt immer noch seinen Kopf. Mustafa brachte kein Wort heraus, schaffte aber ein schwaches Nicken.
»Gut so. Aber ich will es hören. Du bist doch ein Meister des Wortes, mein kleiner Léon. Also!«
Sie ließ los, und Mustafa senkte den Kopf.
»Ich will Euch sehr gern dienen, Herrin.«
Zarah blitzte ihn an, und er fuhr zusammen, als hätte er ihre Peitsche schon zu spüren bekommen.
»Ein bisschen mehr Begeisterung, mein Freund!«
Mustafa fiel auf die Knie. »Ich betrachte Eure Einladung als eine Ehre und Freude, Herrin. Mit meinem Körper und meinem Geist will ich Euch dienen.«
Zarah lächelte sardonisch und tätschelte seinen Kopf.
»So ist’s recht. Ich sehe dich heute Nacht in meinen Gemächern ...«
Siebzehntes Kapitel
»Du musst es ihm heute Nacht sagen! Und du musst ihn zwingen, selbst in ihre Gemächer zu gehen und sie in ihrem schändlichen Tun zu tiberraschen!«
Ayesha war vor ein paar Minuten in Beatriz’ Gemächer gestürzt und lief nun unruhig in ihrem Wohnzimmer herum. Jede Erfrischung hatte sie abgelehnt. Beatriz war am Abend zum Emir geladen und bereitete sich eben darauf vor, indem sie die Henna-Ranken auf ihren Händen erneuerte.
»Aber ... aber warum so plötzlich? Er hat noch so viele andere Dinge im Kopf nach dieser Revolte und der Reise in den Osten. Diese Handelsbeziehungen ...«
»Beatriz, vergiss die Handelsbeziehungen nach Portugal oder China oder was auch immer. Ein Mann muss zunächst in seinem eigenen Harem Ordnung schaffen, das wird Amir auch einsehen. Und warum es heute sein muss? Ist dir Mustafa so gleichgültig? Er ist eben bleich wie der Tod an mir vorübergelaufen. Wenn das so weitergeht, ist er der Nächste, der sich von den Zinnen stürzt ...«
Ayesha sah aus, als würde sie ihre Freundin gleich schütteln. Überhaupt machte die sonst so beherrschte junge Frau einen aufgewühlten Eindruck. Ihr Haar war längst nicht so sorgfältig aufgesteckt wie sonst, ihre Gewänder nachlässig geschlossen.
»Seit wann machst denn du dir so viele Sorgen um Mustafa?«, fragte Beatriz verwundert. »Hast du nicht noch vor ein paar Wochen gesagt, er müsse lernen, mit diesen Dingen fertig zu werden? Sie einfach nicht ›persönlich nehmen‹?«
Ayesha rang die Hände. »Ja. Ja, das weiß ich, und es tut mir Leid. Aber ich bleibe dabei. Dein Mustafa undBlodwen und die anderen ... wenn sie sich genügend verhärten, können sie damit fertig werden. Aber nicht Yasmina! Nicht das Kind!«
»Yasmina? Sie hat das kleine Mädchen zu sich befohlen?« Beatriz fiel der Pinsel aus der Hand. Wie eine Blutspur verteilte sich ein hässlicher Tintenfleck auf ihren gepflegten Händen und verdarb die sorglich gezeichnete Blumenranke.
Ayesha nickte wild, aber in ihren Augen standen Tränen. »Sie ist neun Jahre alt. Und die Einladung ist ihr aufs Höflichste überbracht worden. Sie freut sich darüber, Beatriz, eben ist sie in den Bädern, und sie ist so glücklich, weil eins der Mädchen ihr erstmals Hennaranken auf die Hände malen will! Sie denkt, sie könnte der Herrin Obst reichen und Blodwen dabei Harfe spielen hören. Sie ist ein Kind. Bei Allah, wenn ich sie morgen wieder bekomme, wird sie nicht mehr dieselbe sein!«
Beatriz nahm die Hände der Freundin und verteilte dabei auch auf Ayeshas nervösen Fingern etwas Henna. Entschlossen sah sie ihr in die Augen.
»Mach dir keine Sorgen. Ich werde alles tun, was mir möglich ist. Yasmina soll nicht das nächste Opfer werden.«
Der Emir kam spät zu seiner Verabredung mit Beatriz. Sie erwartete ihn seit über einer Stunde in dem kleinen, zum Garten hin geöffneten Wohnraum. Man hatte dort Kohlebecken aufgestellt, um die Temperaturen angenehmer zu gestalten, aber Beatriz hätte sie nicht gebraucht. Sie schwitzte allein schon bei dem Gedanken, ihrem Geliebten von Zarahs Ausschreitungen zu erzählen. Und wie hatte sie
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