Schleier des Herzens (German Edition)

ließ ihn selbstverständlich ein. Mustafa betrat den Ankleideraum und sah Beatriz’ Sachen. Sie war also da. Er brauchte nur die Bäder zu durchsuchen. Im Dampfbad würde sie kaum noch sein ...
    Während er überlegte, fiel ihm ein betäubender Duft nach Orangen und Zimt auf, der aus dem Dampfbad kam. So intensiv roch man ihn gewöhnlich nicht in den Umkleideräumen ... Mustafa ging ihm nach und sah auch Dampfschwaden unter der Tür des Baderaums hervorquellen. Irgendetwas war da nicht in Ordnung, er würdedie Bademeister alarmieren müssen. Aber vielleicht sollte man den Raum erst mal lüften. Möglicherweise hatte nur jemand einen zu intensiven Aufguss gemacht ...
    Mustafa öffnete die Tür, die leicht in den Angeln schwang, und eine Wolke von Wasserdampf wogte ihm entgegen. Er musste sekundenlang die Augen schließen, bevor er sich überhaupt im Raum orientieren konnte, aber dann stockte sein Herz. Über einer Ruhebank zusammengebrochen lag Beatriz. Die Lippen qualvoll geöffnet, die Haut aufgequollen von Hitze und Feuchtigkeit, der Körper schweißüberströmt und die Augen geschlossen.
    »Herrin!« Mustafa stürzte in das Bad, halb in der Hoffnung, Beatriz werde die Augen aufschlagen, aber sie lag in tiefer Bewusstlosigkeit. Der junge Eunuch hob sie auf und rannte mit ihr aus dem Raum. Wohin? Ins Abkühlbecken? Aber vielleicht sollte er erst hören, ob ihr Herz überhaupt noch schlug ...
    Mustafa ließ Beatriz’ Körper auf eine Bank im Ankleideraum gleiten und rief erst mal den Eunuchen vor der Tür.
    »Bazo! Die Herrin ... sie ist im Dampfbad ohnmächtig geworden. Hol den Arzt, schnell!«
    Inzwischen betraten allerdings auch die ersten Frauen die Bäder. Ayesha schrie auf, als sie ihre Freundin leblos auf der Holzbank sah. Allerdings fasste sie sich schnell und suchte nach ihrem Puls.
    Mustafa horchte inzwischen auf ihren Atem.
    »Sie lebt!«, sagten beide wie aus einem Mund und blickten einander erleichtert an.
    Beatriz stöhnte.
    »Wir müssen sie langsam abkühlen!«, bestimmte Ayesha. »Sonst versagt ihr Herz. Trag sie in die Bäder, Mustafa, und hol ein paar Eiswürfel ...«
    Ayesha rieb die Glieder ihrer Freundin vorsichtig mitkaltem Wasser ab, begann mit Händen und Füßen und arbeitete sich dann zur Körpermitte vor. Ein anderes Mädchen legte ihr eine kühlende Kompresse auf die Stirn und massierte ihre Schläfen mit den Eiswürfeln, die Mustafa eilends gebracht hatte.
    Als Ayesha den Schwamm über Beatriz Hals führte, regte sich die junge Frau. Ihr Atem ging jetzt kräftiger, ihr Herzschlag wurde gleichmäßig.
    »Allah sei Dank, sie wacht auf!«, meinte Ayesha schließlich, als Beatriz’ Augenlider flatterten.
    »Beatriz, mein Schäfchen, was ist denn geschehen? Warum bist du denn so lange im Dampfbad geblieben, du weißt doch ...« Ayesha begann sofort, auf ihre Freundin einzureden.
    »Verschlossen ... war verschlossen ...«, stammelte Beatriz. »Die Türen ... beide Türen ...«
    Ayesha sah sie verständnislos an. »Aber, Schäfchen, die Türen zum Dampfbad haben keine Schlösser! War es so schwer, sie zu öffnen, Mustafa?«
    Der junge Eunuch schüttelte den Kopf. »Nein, es war einfach. Zumindest die Tür zum Ankleideraum lehnte nur an, genau, wie es sein soll.«
    »Kindchen, du hast geträumt ...«
    Inzwischen erschien der Arzt, und die Mädchen beeilten sich, sich zu verschleiern. Mustafa bedeckte verschämt Beatriz’ Blöße, aber der Hakam erklärte lächelnd, er habe schon mehr unbekleidete Körper gesehen, als es Frauen in diesem Harem gäbe. Allerdings zugegebenermaßen selten so vollkommene ...
    Die Untersuchung verlief dann sehr zufrieden stellend.
    »Tja, das Kind hat Glück gehabt!«, sagte der Hakam wohlwollend. Er war ein freundlicher, älterer Herr mit warmen, geschickten Händen, die auch den Körper einer Frau untersuchen konnten, ohne den Anschein von Wollustzu erwecken. »Ich kann hier nicht mehr tun, als ihre Freundinnen bereits getan haben. Das Mädchen braucht nur noch etwas weitere Kühlung und dann Ruhe, viel Ruhe. Morgen ist sie wieder hergestellt. Allerdings sollte sie das Dampfbad einige Tage meiden und anschließend nicht allein besuchen. Lasst eine der heilkundigen Frauen herausfinden, ob sie möglicherweise schwanger ist. Bei werdenden Müttern versagt oft als Erstes der Kreislauf...«
    »Ich bin nicht schwanger! Die Tür war verschlossen!«, protestierte Beatriz.
    »Wahrscheinlich ein Schwächeanfall ... wie gesagt ... Danke Allah für seine Gnade, Sayyida,