Schleier des Herzens (German Edition)
diesem Raum ihr düstere Bilder vorgaukelten ... Aber ... Yasmina hörte Schreie, wollte sich umwenden und dem Opfer zu Hilfe kommen ...
»Nicht.., hör nicht hin. Hör auf die Harfe .., Folge der Harfe in mein Land ...« Blodwen bannte den Blick des Kindes mit ihren rätselhaften Augen. Ganz am Anfang hatte sie noch geglaubt, Zarahs dunklen Künsten die Magie der Musik entgegensetzen zu können, aber das hatte versagt. Blodwen war niemals eine große Harfnerin gewesen. Aber für dieses Kind sollte es reichen.
Blodwen sang ein Lied aus ihrer Heimat, die Töne beschworen grüne Hügel, Blumen, kristallklare Bäche und magische Steine herauf. Ihr Lied blendete Zarahs hohe Schreie und Tarubs Schluchzen aus. Sie führte Yasmina in den Steinkreis, hieß sie, sich niederzulegen. Das kleine Mädchen rollte sich zu den Füßen der Harfnerin zusammen, den Daumen im Mund, durch Blodwens leicht blumigen Duft vor der schweren Luft im Zimmer geschützt. Yasmina schlief, behütet und sicher. Nur wie lange? Zarah hatte sie sicher nicht nur als Zuschauerin herbeordert. Aber dann spürte Blodwen den Zauber ihrer Heimat in ihre Finger fließen, die Macht unzähliger Magierinnen, die ihren Willen Königen aufgezwungen hatten. Blodwen wusste so wenig, sie war schon als Zwölfjährige verschleppt worden. Aber das unschuldige Mädchen zu ihren Füßen verstärkte ihre Kraft. Die Harfe begann fordernder zu klingen, keine Klagelieder diesmal, sondern ein Ruf zum Kampf ...
»Na, wenn das Schreie sein sollen?« Belustigt nahm der Emir sein Ohr von Zarahs Tür. “Das ist Blodwen, die Sängerin und Harfnerin. Es klingt immer ein bisschen traurig, wenn sie irische Lieder singt. Sie hat sicher Heimweh ...«
»Warte ab!«, verteidigte sich Beatriz, obwohl der Zauber auch sie gefangen nahm. »Ich habe hier schon andere Lieder gehört.« Sie hüllte sich wie schutzsuchend in ihrenSchleier, denn es war kalt auf den Gängen. Beatriz hatte das Gefühl, sich hoffnungslos lächerlich zu machen. Warum spielte Blodwen ein harmloses Frühlingslied? Und warum hörte man weder Zarahs Lustschreie noch das Stöhnen der Opfer?
Aber dann veränderte sich der Rhythmus der Harfe. Beatriz meinte auch Stimmen zu vernehmen, konnte aber keine Worte oder auch nur Redner unterscheiden,
»Gut ...«, sagte Zarah mit einer Stimme wie schwerer, süßer Honig.
»Kommen wir zu dir, Mustafa, dem jungen Mann, der so wild darauf ist, mir zu dienen ... Ich möchte, liebster Léon, dass du mir ein Gefäß öffnest, ein kleines Gefäß der Lust ... Und da du ja keine eigene Lanze mehr besitzt ...«
Sie zog eines ihre Spielzeuge hervor. Mustafas Gesicht verzog sich vor Abscheu. Aber seine Angst begann zu schwinden. Sie war vorhin wiedergekehrt, als er diesen Raum betreten hatte. Aber jetzt ... die Harfe schien etwas in ihm zu berühren ...
»Wo ist denn das Engelchen, dem wir das Überleben unserer wunderschönen Herrin Beatriz verdanken?«, flötete Zarah. Sie ließ die Blicke durch den Raum schweifen und sah Yasmina zu Blodwens Füßen liegen.
»Das Kind schläft«, sagte Blodwen ruhig.
Mustafa sah zu ihr herüber und erkannte die Veränderung im Gesicht der Harfnerin. Das Instrument nahm seinen Herzschlag auf und erfüllte ihn mit Kraft.
»Bei Allah, was spielt sie da?« Amir war ernst geworden. »Das ist... ich habe so etwas noch nie gehört, was mag da drinnen vorgehen?«
Auch Beatriz spürte die Kraft.
»Geh doch hinein ! Finde es heraus !«, schrie sie Amir an.»Dann weckt das Kind!«, befahl Zarah. »Mustafa!«
Harte Harfentöne bauten einen Schutzwall für Yasmina.
Mustafa näherte sich halbherzig, aber Blodwens Blick hielt ihn zurück.
Zarah lachte irre.
»Dann muss ich sie mir wohl selbst holen.«
Mustafa richtete sich auf und stand vor ihr. Nein, nicht Mustafa, der Eunuch, Léon der Ritter. Die Kriegsharfe im Rücken, das Schwert in der Hand.
»Herrin«, sagte der Junge ruhig und griff in die Falten seines Gewandes. »Ihr irrt Euch. Ich besitze doch eine Lanze.«
Das Harfenspiel wurde zum Crescendo, zum Schrei, mischte sich in den schrillen Schrei Zarahs, als die Klinge in ihren Leib fuhr.
Tarub schluchzte auf in einem Laut der Befreiung, Yasmina hob die Augen und erblickte eine Blumenwiese in einem fremden Land.
Blodwen brach über ihrer Harfe zusammen – und Beatriz stieß die Tür auf.
Amir starrte fassungslos in den blutbesudelten Raum, sah die nackte, zerschundene Tarub, die Daud tröstend in den Armen hielt, die Geißeln und abstoßenden
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