Schleier des Herzens (German Edition)
Und Blodwen? Oder soll die kleine Yasmina in aller Öffentlichkeit berichten, was sie in Zarahs Räumen gesehen hat?«
Beatriz senkte die Augen.
»Dein Mustafa weiß das, meine Sonne, glaub mir. Er wird nicht um Gnade bitten, dazu ist er zu stolz. Und nun komm, leg dich wieder in meine Arme, du zitterst ja. Lass uns die Bilder dieser Nacht auslöschen. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich fühle mich beschmutzt und besudelt durch das, was ich erleben musste. Bitte, wasch mich rein durch deine Liebe!«
Amir küsste Beatriz’ Scheitel, ihre Schläfen und ihre Schultern. Als die Sonne über den Bergen aufging, lagen die beiden eng umschlungen, sein dunkler und ihr weißer Körper zu einem verschmolzen. Beatriz erwachte schließlich als Erste und sah seine Haut im Sonnenlicht glänzen. Sie liebte jeden Muskel an diesem Körper, seinen herben Duft, das Geräusch seines ruhig ein und aus strömenden Atems.
Und trotzdem blieb er ein Fremder, und sein Land konnte ihr die Heimat nicht ersetzen. All diese seltsamen und grausamen Bräuche. Die Ungeheuerlichkeit, Jünglinge zu entmannen und als Wächter über zusammengepferchte Frauen zu bestimmen. Der goldene Käfig namens Harem, der die Leidenschaften nährte. Hunderte von unbefriedigten, gelangweilten Frauen, die sich aufsparten für einen einzigen Mann. Der Tod als Strafe für die geringste Verfehlung.
Beatriz sehnte sich nach Kastilien, nach einem vielleicht weniger kultivierten, aber leichter durchachaubaren Leben. Nach dem Wind über den Weinfeldern, nach einem wilden Ritt mit fliegendem Haar. Aber die Rückkehr war ihr versperrt. Durch Haremsmauern und jetzt auch durch diese tiefe Liebe, deren Fesseln sie banden. Beatriz wollte nicht weinen, aber sie spürte, wie die Tränen sich Bahn brachen. Amir dürfte das auf keinen Fall sehen.
Beatriz stand vorsichtig auf, zog ihr Kleid über und drückte einen hastigen Abschiedskuss auf Amirs Stirn. Es war empfindlich kalt, und so breitete sie eine Decke über ihm aus. Der junge Mann lächelte im Schlaf und kuschelte sich in den feinen Stoff, wie er sich eben noch an Beatriz’ warmen Körper geschmiegt hatte.
Wie konnte er so süß und unschuldig lächeln und dann Stunden später einen unschuldigen Mann zum Tode verurteilen?
Beatriz machte sich auf in den Harem. Sie musste mit Ayesha reden. Vielleicht fiel ihr ja etwas ein, um Léons Leben zu retten.
»Es ist hoffnungslos.«
Ayeshas Urteil und das des Wesirs Al Taíf fiel gleichermaßen ungnädig aus. Denn nicht nur Beatriz hatte verzweifeltnach einem Ausweg gesucht. Auch Amir berief gleich nach dem Erwachen seine wichtigsten Berater zu sich. Eine Lösung konnten sie jedoch nicht finden.
»Diese Geschichte wird in jedem Harem erzählt werden, zwischen hier und Bagdad«, meinte Tibbon al Taíf. »Da niemand etwas Genaues weiß, wird man das Naheliegendste annehmen: Eine verbotene Liebe im Harem, Eifersucht ... und ein Jüngling, dessen aufgepeitschte Gefühle ihn zum Messer greifen ließen. Das kommt vor – es wird in diesem Fall nur dadurch etwas pikanter, dass die beteiligte Frau die Gattin des Emirs von Granada war. Man wird es durchhecheln – unter verschleierten und nicht verschleierten Klatschbasen! –, aber dann vergessen. Wenn der Mörder jedoch ungestraft bleibt, wenn Einzelheiten über die Wahrheit durchsickern ... Unmöglich! Ihr müsst ihn bestrafen, Herr.«
»Ich plädiere für eine rasche Urteilssprechung und sofortige Vollstreckung«, meinte auch der Kadi, ebenfalls ein besonnener Mann, der sich seine Entscheidungen nicht leicht machte. »Das Blut dieses Jünglings wird über mein Haupt kommen, aber eine Begnadigung ist unmöglich, und wir sollten den Mann nicht länger quälen als nötig.«
Amir nickte und rieb sich die Schläfe. »Gut. Aber ... ich muss es ihm selbst sagen. Ich muss mit ihm reden ... Bei Allah, hätte ich meinen Harem unter Kontrolle gehabt, wäre ich dieser Frau nicht selbst verfallen gewesen ... Das alles hätte nie geschehen dürfen.«
Tibbon al Taff legte dem jungen Emir die Hand auf die Schulter.
»Ich kann das für Euch tun, Herr«, sagte er freundlich. »Grämt Euch nicht zu sehr, es gab nicht viel, was Ihr hättet tun können. Ein Harem ist immer eine Brutstätte von Intrigen, oft von Gewalt. Herrgott, schon meine dreiTöchter streiten dauernd ... Nicht auszudenken, dass sie auch noch eingeschlossen wären und einen einzigen Mann miteinander teilen müssten!«
»Der Harem der Alhambra ist riesig«, begehrte Amir
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