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Schleier des Herzens (German Edition)

Schleier des Herzens (German Edition)

Titel: Schleier des Herzens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wings
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kannst du den Herrn ja auch als Sängerin erfreuen.«
    Beatriz hatte sich nie viel auf ihre Stimme eingebildet, aber nach einer kurzen Einweisung von Darja fand sie heraus, wie voll und wohlklingend sie sein konnte. Bald mischten sich kastilianische Balladen in die arabeskenhaften Tonfolgen der arabischen Musik, die das Leben imHarem bislang untermalte. Susanna weinte vor Freude, die Lieder ihrer Kindheit wieder zu hören. Beatriz aber vergaß die Außenwelt; in ihren Träumen sah sie die weite Landschaft Kastiliens, doch ihre Welt war der Harem mit seinen Liedern, seinem Klatsch und seinen schwülen Geschichten.
    Aber dann geschah etwas, das selbst im Harem für Aufregung sorgte. Der alte Emir starb, und kurze Zeit war es umstritten, ob die Macht wirklich in die Hände des jungen Prinzen Amir übergehen sollte oder ob ein entfernter Verwandter die Herrschaft übernehmen würde.
    Moussa Ahmed, der zweite Thronanwärter, war mit einer Frau aus der mächtigen Familie der Zegris vermählt und machte entschieden Kurs gegen die Beschwichtigungspolitik des bisherigen Herrschers.
    »Ihr meint, Frieden mit Kastilien brächte uns Wohlstand«, erklärte er in einer flammenden Rede vor dem Albaicin, dem zweiten großen Palast Granadas. »Aber dieser Friede und dieser Wohlstand sind teuer erkauft. Es wäre besser, zum Angriff zu blasen, uns Wohlstand durch Eroberung zu schaffen, Granada auszudehnen, statt vor den Christen zu kuschen.«
    Amir konterte mit einem Hinweis auf die Größe Kastiliens, das im Notfall auch sicher Hilfe von den anderen christlichen Königreichen auf der Iberischen Halbinsel erhalten würde. Granada war dagegen winzig. In einem Krieg hätte es keine Chance gehabt, gegen Spanien zu bestehen. Tatsächlich zahlte das Emirat sogar Tribute an den Herrscher des nachbarlichen Kastilien, um den Frieden zu wahren, aber das hielt Amir besser geheim. Nicht auszudenken, was Moussa Ahmed mit dieser Information anfangen würde! Das Volk würde unzweifelhaft toben, wenn es von dieser Verwendung der Steuergelder erfuhr.
    Schließlich kam es zu einem kleinen Scharmützel zwischenden verfeindeten Parteien. Amir besetzte die Alhambra und rief sich zum Emir aus. Unterstützt von der Familie der Abenzera – aus der seine Gemahlin Zarah stammte –, trat er vor das Volk von Granada, und es jubelte ihm zu. Moussa Ahmed gab sich geschlagen.
    Im Harem klatschte man über die schöne Gestalt des neuen Emirs, seine Gewandtheit zu Pferde und seine einschmeichelnde Stimme. So manches Mädchen in den Frauengemächern des Hauses Al Khadiz träumte sich in den Harem des Jünglings, alle lauschten gebannt den Erzählungen der Musikerinnen, die hinter einem Wandschirm aufspielten, als Mammar den neuen Emir zum Bankett in sein Haus einlud. Auch Soraya, Fatima und die anderen erwachsenen, mächtigen Frauen im Harem erhaschten einen Blick auf den Emir. Es gab vergitterte Emporen in den Empfangsräumen des Herrn, von denen aus die Frauen dem Geschehen beiwohnen konnten. Beatriz wäre zweifellos auch dazu eingeladen worden, aber sie fühlte sich längst zu schwerfällig, um sich die Stiegen hinaufzuschleppen. Die letzten Monate der Schwangerschaft machten ihr zu schaffen. Sie war unförmig und fühlte sich krank, weinte oft und verkroch sich tagelang in ihren Gemächern. Von ihrem Entführer oder gar von Diego träumte sie nicht mehr. Sie hätte sich ja geschämt, ihnen vor Augen zu treten, aufgedunsen und fett wie sie war.
    An einem glühendheißen Julitag wurde das Kind geboren. Beatriz erwachte von einem ziehenden Schmerz, und die nächsten Stunden wurden zu einem Albtraum aus Schweiß und Angst, aus rasenden Schmerzen und wilden Visionen von einer längst verlorenen Freiheit. In den schlimmsten Augenblicken fühlte Beatriz, wie sich ihrGeist vom Körper trennte. Er floh in den Himmel über Kastilien, erging sich in rasenden Ritten über traumhafte Landschaften, während der Schmerz in ihr tobte und sich unaufhaltsam ein winziges Leben ans Licht schob. Der letzte Schmerz schien Beatriz zerreißen zu wollen, aber dann ebbte er plötzlich ab, etwas Feuchtes, Zappelndes rutschte zwischen ihre Beine ...
    »Ein Sohn, Beatriz, Ihr habt einen Sohn!«, Susannas glücklicher Aufschrei durchbrach die halbe Ohnmacht der Erleichterung, in die Beatriz nach dem Ausstoßen des Kindes zu sinken drohte.
    »Wartet, hier ... hier ist er ...«
    Beatriz wollte abwehren, aber da drückte ihr die Dienerin auch schon ein winziges, in weiße Tücher gewickeltes

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