Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schleier des Herzens (German Edition)

Schleier des Herzens (German Edition)

Titel: Schleier des Herzens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wings
Vom Netzwerk:
Aber dies war eine andere Situation. Sie hasste Beatriz nicht, aber sie war der festen Überzeugung, dass der Harem von ihr befreit werden musste. Das Kind ... nein, dem kleinen AH würde sie nichts antun, aber er musste dringend in die Obhut einer gefestigten, gemäßigten Person, die ihn im Sinne des Islam erzog und seinem Vater dabei nur so viel Einfluss einräumte, wie es dem Kind und seinem Erzeuger gut tat. Soraya plante, die Erziehung des Kleinen selbst zu übernehmen. Sie hatte zwar wenig Lust dazu, hielt das aber für das Beste. Mammars Interesse, davon war sieüberzeugt, würde abflauen, sobald sein Blick auf den Jungen nicht mehr von Beatriz wippenden Brüsten abgelenkt wurde.
    Charis, die Giftmischerin, lebte in einer Seitengasse der Straße der Apotheker. Sie war einst die Gattin eines solchen gewesen, aber ihr Mann war verstorben. Offiziell hielt sich die Witwe nun mit ein wenig Kräuterkunde über Wasser. Besonders Frauen suchten sie gern auf, um Hilfe in den Belangen des Frauseins zu erfahren. Zu üppiger Blutfluss, zu große Schmerzen während der Regel, Schwierigkeiten in der Schwangerschaft ... aber auch unglückliche Liebe, die vielleicht durch einen Zauber beeinflusst werden konnte, oder, in seltenen Fällen, indem man eine Rivalin diskret beiseite schaffte.
    Charis half im letzteren Fall nur ungern und nie, ohne vorher ihre Kristallkugel zu befragen. Sie erklärte, dass sie das Schicksal nicht bestimme, sie helfe ihm nur gelegentlich nach. Und natürlich war sie ebenso verschwiegen wie geschickt. Schließlich hing ihr eigenes Leben ebenso vom Erfolg der Maßnahme ab wie das der Kundin.
    Nun empfing sie Soraya in einem nachtdunklen, langen Gewand, den Schleier vor dem Gesicht drapiert. Stechende dunkle Augen musterten die Besucherin hinter der schwarzen Spitze. Dann wurde der prüfende Blick zu einem Lächeln. Die Frauen kannten sich. In den ersten Jahren ihrer Ehe hatte Soraya die Zauberin ein paar Mal aufgesucht, weil sich nach Achmed keine weiteren Kinder einstellen wollten. Charis hatte sie damals behandelt, eigentlich überzeugt, dass Mammar al Khadiz noch mindestens ein Sohn beschert werden sollte. Nach intensiver Befragung der Kristallkugel hatte sie die junge Frau dann aber doch nach Hause geschickt.
    »Finde dich damit ab. Dir ist kein weiteres Kind bestimmt, Soraya«, hatte sie gesagt und alle Fragen nach dem Sohn, den sie vorher vorausgesagt hatte, entschieden abgelehnt.
    Jetzt, viele Jahre später, wusste Soraya, warum die alte Frau ihr das Wissen hatte ersparen wollen.
    »Salam, Umm Achmed. Ich hörte, deinem Gatten wurde ein Sohn geboren. Es tut mir Leid, dass dies für dich mit schlimmerem Schmerz verbunden ist als dem der Geburt.«
    Mit einer Handbewegung bat Charis ihre Kundin herein. Dankbar registrierte Soraya den alten Ehrentitel für die Mutter eines Sohnes, mit dem Charis sie begrüßte. Ein kleiner Trost, die Zauberin wusste immer, was den Frauen gut tat.
    Charis bot Tee an und Soraya nippte dankbar an dem süßen Getränk. Nun, da sie ihr Anliegen äußern sollte, war sie plötzlich von Angst und Zweifeln erfüllt.
    »Ich warte«, sagte die Zauberin schließlich. »Du kannst mir dein Herz ausschütten, du kannst dein Begehren äußern – du kannst es aber auch einfach auf sich beruhen lassen. Es ist deine Entscheidung, Umm Achmed. Und du hast damit Zeit, bis du den verhängnisvollen Zauber in den Fruchtsaft deiner Feindin gerührt hast.«
    Erschrocken sah Soraya auf. Stand ihr das schändliche Anersinnen wirklich so klar auf der Stirn geschrieben?
    Charis lächelte. »Keine Sorge. Einen solchen Entschluss fasst niemand aus einer Laune heraus. Ich habe schon zu viele Frauen mit deinen Gedanken und Ängsten vor mir sitzen sehen. Ich erkenne die Verzweiflung in deinen Augen. Also sprich. Und dann wollen wir die Kugel befragen und herausfind en, ob Gottes unerschöpflicher Wille dich leitet oder ob du Gefahr läufst, den Himmel zu erzürnen ...«
    Soraya holte tief Luft. Aber dann begann sie, von Beatriz zu erzählen. Von ihrer Schönheit, ihrer Unbeugsamkeit und ihrem plötzlichen Wandel. Von ihrem Kind und ihrem Spiel mit Mammar, von ihrem Griff nach der Macht im Harem.
    »Die Bediensteten nennen sie nur noch ›Umm Ali‹«, klagte sie der Zauberin. »Die Frauen im Harem machen ein großes Wesen um sie, und wenn mein Herr ins Haus kommt, ist sie die Erste, nach der er fragt. Ich sehe das Verlangen in seinen Augen, aber es ist nicht gestillt, wenn er ihre Gemächer

Weitere Kostenlose Bücher