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Schleier des Herzens (German Edition)

Schleier des Herzens (German Edition)

Titel: Schleier des Herzens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wings
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schien um Jahre gealtert. Sein sonst eher rundes Gesicht wirkte eingefallen, die Augen tief umrandet und blutunterlaufen. Dazu waren seine Bewegungen eckig und unsicher. Seine Langsamkeit war keine Faulheit, offensichtlich schmerzte ihn jeder Schritt.
    Beatriz dachte fieberhaft nach. Mustafas verängstigtes Verhalten am Tag zuvor ... Ein Mädchen, das die Hölle durchlebt hatte. Ein junger Eunuch, der in eine tödliche Freiheit entflohen war – hatte Mustafa als Ersatz gedient?
    »Lass das jetzt, Léon!« Beatriz stieß die Scherben beiseite. »Und du, Susanna, lass uns bitte eine Zeitlang allein – Nein, nicht einfach ins Nebenzimmer, Susanna. Wo bleibt dein Sinn für Diskretion? Geh spazieren, Susanna, und nimm Alvaro mit, er braucht frische Luft.«
    Beatriz wartete, bis die murrende Zofe mit dem Kind verschwunden war. Dann wandte sie sich an Mustafa, der teilnahmslos weiter mit Aufräumen beschäftigt war. Er schien Beatriz’ Kommen gar nicht registriert zu haben.
    Beatriz legte die Hand auf seine Schulter.
    »Léon ...«
    »Verzeih, Herrin ...« Der Junge fuhr zusammen wie mit der Peitsche geschlagen, aber er hatte offensichtlich nicht die Kraft, die üblichen Verbeugungen und rituellen Kniefälle zu absolvieren, mit denen die Diener im Haremum Vergebung für ein Missgeschick baten. Der Versuch endete mit einer Art Zusammenbruch. Mustafa kniete zwischen den Scherben der Karaffe und schien mit einem lautlosen Schluchzen zu kämpfen.
    »Léon! Du wirst mir jetzt sagen, was passiert ist! Ich habe mit Blodwen gesprochen ...«
    »Dazu hatte sie kein Recht! Sie durfte nicht ... O Gott, ich dachte, ich könnte nicht tiefer fallen, aber nun hat sie Euch von meiner Schande erzählt. Ich will sterben, Herrin ... hätte ich nur schon gestern den Mut aufgebracht, Kalim zu folgen.«
    Mustafa schlug die Hände vors Gesicht und krümmte sich zusammen.
    Beatriz erkannte entsetzt, dass sein Gewand am Rücken Blutflecken aufwies.
    »Zieh dein Hemd aus!«, befahl sie ihm.
    »Herrin, nein, bitte ... Herrin, quält mich nicht ...« Der Junge wich verzweifelt zurück, als könnte er sich vor Beatriz verstecken.
    Beatriz verlor langsam die Geduld.
    »Léon, es reicht jetzt! Du wirst es nicht glauben, aber ich habe schon nackte Männerkörper gesehen. Und ich habe auch schon die Spuren von Peitschenhieben gesehen. Denn danach sieht es doch aus, oder? Du willst mir nicht wieder erzählen, du seist auf der Treppe gefallen?«
    Mustafa schüttelte zitternd den Kopf.
    »Ihr werdet mich verachten!«
    »Überlass mir doch bitte einmal selbst die Entscheidung darüber, wofür ich dich verurteilen soll. Bisher sehe ich nichts Verachtenswertes außer einer gewissen Feigheit. Du bist der Sohn eines kastilianischen Ritters, Léon! Benimm dich entsprechend!«
    Léon sah sie nicht an, während er sprach. Leise, aber mit klarer Stimme, seltsam unpersönlich, als erzählte erhier die Geschichte eines anderen, berichtete er von der Hölle in Zarahs Gemächern.
    Er schonte weder sich selbst noch die fassungslos lauschende Beatriz. Jede Perversion, jede Quälerei, jede hässliche, abartige Pose, die Zarah ihm und den anderen abverlangt hatte, breitete er vor ihr aus.
    Beatriz schwieg entsetzt, als er schließlich endete.
    »Ich wusste, Ihr würdet Euch vor mir ekeln ...«, sagte Mustafa leise. »Ich verachte mich ja selbst.«
    Beatriz nahm sich zusammen. Sie spürte kalte Wut auf diese Frau – und alle, die ihr nicht Einhalt geboten. Aber das musste ein Ende haben. Sie würde ... Aber was würde sie? Sie musste darüber nachdenken, musste dieses Geheimnis mit jemand Erfahrenerem teilen. Aber das alles kam später. Jetzt musste sie sich zunächst dieses gebrochenen Kindes annehmen.
    »Nicht du bist verachtenswert«, sagte sie sanft zu dem jungen Eunuchen, der leblos in seiner Ecke kauerte. »Und ich ekele mich auch nicht vor dir. Komm ...«
    Beatriz zog den Jüngling sanft in ihre Arme. Sein Kopf sank an ihre Brust, und sie streichelte tröstend über sein Haar.
    »Alles wird gut, Léon, alles wird gut ...«
    Mustafas Körper bebte in ihrer Umarmung, seine Anspannung entlud sich in einem Schluchzen, aber diesmal konnte er weinen. Die Tränenflut wusch Selbsthass und Verzweiflung hinweg.
    Der Jüngling war zu Tode erschöpft, aber gefasst, als er sich endlich von ihr löste.
    »Was müsst Ihr von mir denken ...«, murmelte er verlegen.
    »Nicht schon wieder, Léon!«, gebot Beatriz. »Und nun hör mir zu! Du wirst hier bleiben, Susanna wird deine Wunden

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