Schleier des Herzens (German Edition)
blass mit Ringen unter den Augendurch den Harem schleichen sehe, dann nur, weil du nächtelang für den Sieg der Kastilier betest. Ach, Beatriz, was für eine Heuchlerin kannst du doch sein!
Zarah schäumte. Sie hatte Amir am Abend zuvor erwartet und sich nur widerstrebend davon überzeugen lassen, dass die Kriegserklärung der Kastilier den Emir fern hielt. Auf die Dauer blieb im Harem allerdings nichts verborgen. Schon am nächsten Tag erfuhr Zarah, dass der kastilianische Bote den Emir keineswegs bei der Vorbereitung auf sein Stelldichein gestört, sondern aus den Armen einer Odaliske gerissen hatte. Die Information stammte nicht aus dem Harem, sondern von außerhalb – Zarah hielt ständig Verbindung zu ihrer Familie. Insofern wusste sie nicht, mit wem sich Amir in seinen Privaträumen vergnügt hatte. Sie konnte es sich allerdings denken. Und auch die Nachrichten von außen klangen alarmierend. Amir hatte gegenüber seiner Leibgarde verlautbart, dass er eine seiner Sklavinnen zur Gattin zu erheben gedachte.
»Vielleicht«, so bemerkte er gut gelaunt, »schenkt sie mir ja bald einen Erben, dann könnt ihr endlich aufhören, in der Schlacht um mich herumzuwuseln wie eine Schar aufgeregter Hühner!«
»Sieh zu, dass du das verhinderst!«, zischte Zafira, eine unverheiratete Kusine, die Zarah regelmäßig besuchte und ihr die Nachrichten überbrachte. »Du bist an den Emir verheiratet worden, um den Abenzeras Einfluss und Thron zu sichern. Dein Vater ist schwer verärgert.«
Zarah zuckte die Schultern. »Was soll ich machen? Der Emir hat bisher kein Kind mit mir gezeugt, und auch mit keiner anderen in diesem Harem. Vielleicht ist sein Same schwach ...«
»Willst du es darauf ankommen lassen?«, fragte Zafira scharf.
Zarah blitzte sie an. »Was wollt ihr?«, fragte sie genauso böse zurück. »Soll ich mich einem anderen Mann hingeben? Dann schickt mir einen, herzaubern kann ich ihn nicht. Natürlich werde ich mich des Mädchens entledigen. Aber auf die Dauer ist das keine Lösung. Er kann morgen eine andere schwängern und ihr Kind anerkennen.«
»Wir wollen die Macht«, sagte Zafira scharf. »Wenn nicht mit diesem Emir, dann mit einem anderen. Die Abenzeras sind bereit, sich zu erheben.«
»Ein Volksaufstand?« Zarah richtete sich auf. »Aber wie wollt ihr das bewerkstelligen? Ein Aufstand braucht einen Führer. Und was verleitet euch zu der Annahme, der neue Emir würde mich wieder an die Spitze seines Harems stellen?«
Zafira lächelte sardonisch. »Denk einmal nach ...«, sagte sie ruhig. »Denk nach, wen der Emir in der letzten Zeit brüskiert hat. Und zu wem du dir leicht Zugang verschaffen kannst. Es ist deine Bestimmung zu herrschen, Zarah, also finde die Lösung. Sofern du keine Angst hast vor schlaffem Fleisch ...«
Sie lachte, als sie herausging.
Mammar al Khadiz wartete auf seinen Sohn. Ursprünglich hatte er sich nur um Alis Erziehung bemüht, weil er hoffte, Beatriz dadurch nicht ganz aus den Augen zu verlieren. In der letzten Zeit fand er aber immer mehr Freude daran, den kleinen Jungen zu sehen, ihm Spielzeug mitzubringen und ihn im Arm zu halten und zu kitzeln. Ali war ein freundliches Kind, und er hatte die Augen und das Lächeln seiner Mutter. Wenn Mammar ihn liebkoste, standen ihm Beatriz’ edle Züge vor Augen, im ersten Flaum auf dem Köpfchen des Kindes meinte er ihr rotgoldenes Haar wieder zu erkennen. Das Zusammensein mit Alibrachte ihm Trost, nährte aber auch seinen Kummer und seinen Zorn. Der Emir hatte kein Recht auf sie! Und sie hatte kein Recht, Amir zu gewähren, was sie ihm verweigert hatte! Mammar träumte nach wie vor von Beatriz, doch jetzt waren seine Träume dunkel und blutig. Er stellte sich vor, wie er sie zur Liebe zwingen, ihren Kampfgeist brechen, den Gedanken an ihren verlorenen Liebsten und auch an den Emir aus ihr herausstoßen würde.
»Wesir!« Eine dunkle, fast beschwörende Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. »Ich bringe Euch Euren Sohn.«
Mammar al Khadiz hatte diese Frau noch nie gesehen. Im Allgemeinen war es Susanna, die ihm Ali brachte, manchmal auch ein Eunuch. Aber diese tief verschleierte, in dunkle Gewänder gehüllte Frau war ihm fremd.
Keine Dienerin, überlegte er. Dazu war ihr Auftreten zu königlich, ihre Kleidung zu kostbar. Ihr Gewand war nachtblau, aber wenn sie sich bewegte, schimmerten Silberfäden darin auf. Sie hielt das Kind in den Armen. Ali weinte.
Mammar nahm ihn entgegen und streifte dabei die Hand der Frau. Sie war warm,
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