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Schleier und Schwert

Schleier und Schwert

Titel: Schleier und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brisbin
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KAPITEL
    Die Aufforderung, mit lauter Stimme hervorgebracht, lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die beiden Sessel vor dem großen Glasfenster auf einer Seite des Raums. Dort saßen der Earl und die Countess und sahen Margriet entgegen, wie sie an der Seite ihres Vaters auf sie zuschritt. Verzweifelt versuchte Margriet, sehr aufrecht zu gehen, während sie den Raum durchquerte. Glücklicherweise wurde sie nur von ein paar wenigen Leuten beobachtet, die im Saal herumstanden. Als sie den Lehnsherrn ihres Vaters und dessen Gattin erreichten, sank Margriet in einen Hofknicks und wartete auf die Erlaubnis, sich erheben zu dürfen.
    Der Earl klatschte in die Hände, rief nach Wein für alle, und Gunnar half seiner Tochter, sich wieder aufzurichten. Als sie jetzt den Earl und seine Gattin ansah, war sie von dem sichtbaren Altersunterschied zwischen den beiden überrascht.
    „Willkommen an unserem Hof, Margriet Gunnarsdottir. Ich weiß, dass Euer Vater lange auf diesen Augenblick gewartet hat. Und ich freue mich, dass er jetzt gekommen ist.“
    Erengisl Sunessons dunkelgrüne Augen funkelten, während er einen Silberpokal von einem der Diener entgegennahm und ihn ihr reichte. Sie nahm ihn und sah zu, wie er einen anderen der Countess an seiner Seite gab. Seine Augen besaßen die gleiche Farbe und Form wie die seines Sohnes Rurik. Auch seiner Nase und sein Kinn hatte er ihm vererbt. Nur seine Haarfarbe nicht, denn es hatte die Farbe von hellem Mahagoniholz und nicht das helle Blond Ruriks.
    „Ich möchte Euch meiner Gattin vorstellen, Agnes of Strathern.“
    Margriet neigte den Kopf vor der Countess und war überrascht, als die Frau sich erhob und zu ihr trat und ihre Hand ergriff. „Willkommen, Margriet. Ich hoffe, es geht Euch gut nach Eurer langen und mühsamen Reise?“
    Noch eine Überraschung, denn Margriet hatte nicht geglaubt, dass die Countess Kenntnis von solchen Einzelheiten besaß. „Mir geht es gut, Mylady“, erwiderte sie.
    „Der Sohn meines Gatten berichtete uns von den Missgeschicken, die Euch auf dem Weg von Caithness hierher zugestoßen sind“, fuhr Lady Agnes fort. „Und er erzählte uns auch, mit welcher Fertigkeit Ihr herausgefunden habt, woran seine Männer litten, als sie krank wurden und wie gut Ihr sie behandelt habt. Euer Vater ist sicher sehr stolz auf Euch.“
    „Erzählte er das?“, fragte Margriet und war überrascht, was die Countess alles wusste.
    „Da ist er.“ Die Countess winkte jemandem im Rücken von Margriet zu, jemand, von dem Margriet sich nicht sicher war, ob sie ihn jetzt schon wiedersehen wollte. „Komm, Rurik. Ich sagte Margriet gerade, dass du uns von ihrem Eingreifen berichtet hast, als auf eurer Reise alle krank geworden sind.“
    Sie hatte ihn in der einfachen Kleidung eines Soldaten gesehen. Sie hatte ihn bei Tageslicht trocken und auch nass bei ihrem Sturz in den Fluss gesehen. Sie hatte ihn sogar nackt gesehen. Aber nichts hatte sie darauf vorbereitet, ihn so zu sehen wie jetzt – gekleidet in erlesene Stoffe. Er trug eine ärmellose Tunika aus feinstem Gewebe, dazu goldene Armringe und Armbänder und ein Medaillon um den Hals, welches das Familienwappen des Earls zeigte.
    Er kam auf die gleiche Art auf sie zu wie immer: geschmeidig wie eine Wildkatze, jeden Augenblick sprungbreit, um seine Beute zu überwältigen. Seine Augen fingen das Licht der vielen Kerzen ein, die das Gemach erleuchteten. Er verzog den Mund zu einem gewinnenden Lächeln, als er vor ihr stehen blieb. Nachdem er sich zuerst vor der Countess verbeugt hatte, wandte er sich ihr zu.
    „Ihr seht gut aus, Margriet“, sagte er.
    Da versagte ihr die Stimme. Wenn sie ihn als Soldaten anziehend gefunden hatte oder damals, als er vor den Klostermauern seinen Namen schrie oder als Beschützer, der ins Wasser sprang, um sie zu retten, so übertraf seine jetzige Erscheinung das alles noch. Die gut geschnittene Tunika saß perfekt und betonte für jeden sichtbar die muskulöse Brust, die sie bedeckte. Margriet wusste, wie diese Brust aussah und auch, wie sie sich anfühlte.
    „Lord Rurik, wie geht es Euch?“, fragte ihr Vater.
    Margriet brauchte einen Augenblick, um sich von ihrer Überraschung, ihn so früh wiederzusehen, zu erholen. Und auch, um ihre Bewunderung zu verbergen. Also nippte sie an ihrem Wein und lauschte ihrem Vater, wie er Rurik über seine Heimkehr ausfragte und darüber, wie man ihn bis jetzt zu Hause aufgenommen hatte.
    „Mein Vater überträgt mir viele Aufgaben, Gunnar, und ich muss gestehen, ich habe auf

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