Schleier und Schwert
teilweise schenkte.
Ihr Vater war mit anderen Dingen beschäftigt, und so hing Margriet für den Rest des Tages ihren Gedanken nach. Als sie sich ihrer Geburtsstadt näherten, schreckte sie aus ihren Träumereien auf und staunte über all die Veränderungen, die stattgefunden hatten, seitdem sie sie das letzte Mal sah.
Auch wenn ihre Erinnerungen die eines Kindes waren, konnte sie erkennen, dass die Stadt gewachsen war und jetzt mehr Straßen und Gebäude besaß. Das einfache Volk nannte sie immer noch auf Norn Kirkjuvágr und die Schotten Kirkvaw oder Kirkwall. Sie war jetzt die Hauptstadt der Orkneys und selbst Earl Erengisl hatte sich hier, nicht weit von der Kathedrale St. Magnus, die sich hoch über der restlichen Stadt erhob, einen neuen Palast gebaut. Margriet würde mit ihrem Vater im Palast wohnen. Seine Pflichten erforderten es, dass er sich ständig um den Earl und dessen Belange kümmern musste.
Die Größe des Palastes erschreckte Margriet. Erengisl hatte seinen Palast mit der üblichen großen Halle der nordischen Burgen gebaut und nicht einen, sondern drei Türme hinzugefügt!
Als sie sich jetzt dem Haupttor näherten, bemerkte Margriet, dass selbst der Hauptteil aus drei Geschossen bestand: einen über dem Erdgeschoss und die große Halle im obersten Stockwerk. Jedem, der hierherkam, wurde so Erengisls Reichtum vor Augen geführt.
Sie musste mit offenem Mund gestaunt haben, denn ihr Vater meinte lachend: Wie ich sehe, erinnerst du dich nicht an all dies? Sie schüttelte den Kopf. Dabei ist es noch nicht einmal sein beeindruckendster Palast, denn das ist Hultaby in Schweden.
Der Wagen kam zum Stehen, und sofort umgab sie ein Schwarm Diener. Sie entluden ihr Gepäck und halfen ihnen beim Aussteigen. Margriet klopfte sich den Straßenstaub von ihrem Gewand und folgte ihnen in die Unterkunft ihres Vaters. Er bewohnte mehrere Räume, was sie eigentlich nicht erwartet hatte einen Empfangsraum, wo er Gäste begrüßen konnte, ein Privatgemach, das mit seinen Papieren, Büchern und Akten angefüllt war, und zwei kleine Schlafräume. Die Räume waren nicht voneinander getrennt, sondern nur durch von der Decke hängende Vorhänge unterteilt, sodass jeder Bereich ein gewisses Maß an Abgeschlossenheit bot.
Mitten in einem dieser Räume, welcher der ihre sein sollte, wie man ihr sagte, stand ein Bett. Während sie jetzt dasaß und auf die Anweisungen ihres Vaters wartete, wäre Margriet am liebsten in das Bett geklettert und bis zum nächsten Morgen nicht mehr herausgekommen. Nach ihrer Ankunft war ihr Vater sofort zum Earl gegangen. Als er dann in seine Gemächer zurückkehrte, war er sehr aufgeregt.
Komm, Margriet, sagte er und zog sie auf die Füße, während Brynja sich an ihrem Kleid und an ihrer Frisur zu schaffen machte. Lord Erengisl möchte dich jetzt sofort sehen. Er will nicht bis morgen warten.
Aber Vater, antwortete sie. Ich sehe aus wie jemand, den man gerade durch den Straßenstaub gezogen hat. Kann ich mich nicht erst vorbereiten auf so eine wichtige Audienz?
Tief in ihrem Innern fürchtete Margriet diesen Augenblick. Ihr Vater hatte ihr erzählt, dass der Earl immer die Wahrheit erkannte und Äußerlichkeiten ihn nicht täuschen konnten. Jetzt fürchtete sie, dass er, den die väterliche Liebe nicht blind machte, die Wahrheit begreifen würde, bevor sie sie Gunnar sagen konnte.
Ihr Vater nahm sie in die Arme und drückte sie an sich. Hab keine Angst, Margriet. Er wird schon nicht meinen, dass du es an Achtung fehlen lässt.
Margriet wusste, dass er sich nicht überzeugen lassen würde. Also ließ sie Brynja noch einige letzte Korrekturen an ihrem Kleid vornehmen und folgte dann ihrem Vater aus dem Turm, in dem ihre Gemächer lagen, hinüber zu dem größeren Turm, wo der Earl wohnte. An der Tür blieben sie stehen, während ein Diener sie ankündigte.
Nachdem Margriet die letzten zehn Jahre in einem schmucklosen Kloster gelebt hatte, überwältigte sie der Luxus in den Gemächern des Earls. Der Boden war mit kostbaren Teppichen bedeckt. Die Wände zeigten riesige Tapisserien, die den Raum schmückten und gleichzeitig die Wärme im Innern hielten. Regale enthielten verschiedene in Ehren gehaltene Stücke Gefäße aus Silber und Gold, Schalen und Becher. Wenn sie das jetzt alles mit offenem Mund bestaunte, dann nur, weil sie in all den Jahren im Kloster solche Dinge nicht gesehen hatte.
Kommt, Gunnar, stelle uns deine Tochter vor.
18.
Weitere Kostenlose Bücher