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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Katzen?«
    »Wir haben uns heute bei Bonnie getroffen. Erinnerst du dich an Bonnies zwei Katzen?«
    »Ja, glaub schon.«
    »Die Katzen lagen zusammen im Katzenkorb vor dem Bad.«
    Gurney brach in Lachen aus.
    »Ja, Marjorie Ann hat es nur bis zu den Katzen geschafft.«
    »O Gott …« Er krümmte sich.
    »Und sie hat einiges von sich gegeben. Ich meine … es war reichlich. Und die Katzen sind aus dem Korb geschossen, rüber ins Wohnzimmer.«
    »Voll mit …«
    »Genau, voll mit … Wie die Irren sind sie durchs Zimmer gerast, über Sofas und Sessel. Da war … wirklich was geboten.«
    »Ich fass es nicht …« Gurney wusste nicht, wann er zum letzten Mal so gelacht hatte.
    »Und danach«, schloss Madeleine, »konnte natürlich niemand mehr weiteressen. Und wir konnten nicht im Wohnzimmer bleiben. Natürlich wollten wir Bonnie beim Saubermachen helfen, aber sie hat uns nicht gelassen.«
    Nach kurzem Schweigen fragte er: »Möchtest du jetzt was essen?«
    »Nein!« Sie erschauerte. »Bloß nicht.«
    Wieder musste er lachen. Es fühlte sich an wie der unbezwingbare Heiterkeitsausbruch über einen Furzwitz in der Grundschule.
    Doch sein Vorschlag zu essen schien bei Madeleine eine verzögerte Assoziation ausgelöst zu haben, die das Funkeln in ihren Augen erlöschen ließ.
    Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, fragte sie: »Dann trefft ihr euch also morgen zu dritt: du, Sonya und der verrückte Sammler?«
    »Nein.« Zum ersten Mal freute es ihn, dass Sonya nicht teilnehmen würde. »Nur der verrückte Sammler und ich.«
    Neugierig zog Madeleine eine Braue hoch. »Das wundert mich. Sie hätte doch bestimmt alles dafür getan, um an dem Dinner teilzunehmen.«
    »Das Dinner wurde auf Mittag vorverlegt.«
    »Mittagessen? Wirst du schon herabgestuft?«
    Gurney ließ sich nichts anmerken, doch seltsamerweise versetzte ihm die Bemerkung einen Stich.

40
Ein leises Jaulen
    Als Madeleine mit dem Einräumen von Töpfen, Pfannen und Geschirr fertig war, machte sie sich eine Tasse Kräutertee und ließ sich mit ihrem Strickzeug in einem der Polstersessel hinten im Zimmer nieder. Bald darauf folgte ihr Gurney mit der Fallakte zum Zwilling des Sessels auf der anderen Seite des Kamins. In geselligem Schweigen saßen sie jeweils im eigenen Lichtschein.
    Er schlug die Akte auf und entnahm ihr den VICAP -Bericht. Seltsame Sache mit dieser Abkürzung. Beim FBI stand sie für Violent Criminal Apprehension Program, beim New Yorker Bureau of Criminal Investigation für Violent Crime Analysis Program. Während das ansonsten identische Formblatt, das von den gleichen Computern ausgewertet und an dieselben Adressaten verteilt wurde, also bei der Bundespolizei gleich die Festnahme eines Schwerverbrechers in Aussicht stellte, sprach die New Yorker Version lediglich von einer Analyse. Gurney zog Letzteres vor.
    Das sechsunddreißigseitige Formular war umfassend, um es vorsichtig auszudrücken, aber nur hilfreich, wenn der jeweils zuständige Beamte genau und gründlich war. Unter anderem diente es der Aufdeckung von Ähnlichkeiten zu anderen erfassten Verbrechen. Doch in diesem Fall hatte das vergleichende Analyseprogramm keine Treffer ergeben. Gurney vertiefte sich in das Dokument, um sicherzugehen, dass er beim ersten Mal nichts übersehen hatte.
    Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Immer wieder dachte er daran, Kyle anzurufen, und schob es dann wieder auf. In den letzten drei Jahren hatte der Zeitunterschied zwischen New York und Seattle ein bequemes Hindernis dargestellt, aber jetzt war Kyle wieder in Manhattan und studierte an der Columbia Law School, und Gurney hatte jede Ausrede für sein Zaudern verloren. Allerdings hatte das keineswegs dazu geführt, dass das Zaudern endete oder dass er dessen wahren Ursachen auf den Grund ging.
    Manchmal tat er es als natürliche Folge seiner kalten keltischen Gene ab. Das war die einfachste Betrachtungsweise. Die persönliche Verantwortung war damit auf ein Minimum reduziert. Dann wieder war er überzeugt, dass es mit dieser Abwärtsspirale von Schuldgefühlen zusammenhing, die entstanden, wenn er nicht anrief, sodann seinen Widerstand gegen das Anrufen verstärkten und neue Schuldgefühle hervorriefen. Solange er zurückdenken konnte, hatten solche Empfindungen an ihm gefressen – die nagenden Gewissensbisse eines Einzelkindes, das sich für die angespannte Ehe seiner Eltern verantwortlich fühlt. Zu anderen Zeiten glaubte er, dass ihn Kyle zu sehr an seine erste Frau erinnerte – an zu

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