Schließe deine Augen
der Machete bearbeitet hat. Vielleicht sollten sie eine Münze werfen, um sich zu entscheiden, an welches Märchen sie glauben wollen.«
»Hatten Sie persönlich Kontakt zu Flores?«
»Überhaupt nicht. Hatte nie das Vergnügen, ihn kennenzulernen. Dummerweise habe ich aber ein sehr lebendiges Bild von ihm im Kopf. Er lebt in meinem Bewusstsein, ohne andere Adresse. Wie gesagt, derzeitiger Aufenthalt unbekannt. Und ich fürchte, dass er so lange dort leben wird, bis er gefasst oder tot ist. Daher würde ich mich freuen, dieses Problem mit Ihrer Hilfe lösen zu können.«
»Mrs Perry, Sie haben mehrfach das Wort ›tot‹ benutzt, daher sollte ich vielleicht etwas klarstellen, um Missverständnisse zu vermeiden. Ich bin kein Auftragskiller. Falls das ein Teil der Vereinbarung ist, ob ausgesprochen oder unausgesprochen, müssen Sie sich jemand anders suchen – und zwar sofort.«
Sie musterte ihn. »Der Auftrag ist, Hector Flores zu finden … und ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen. Das ist alles.«
»Dann würde ich Sie gerne fragen …« Er stockte, als er eine bräunlich graue Bewegung bemerkte. Ein Kojote – wahrscheinlich der von gestern – überquerte die Wiese. Er beobachtete ihn, bis er im Ahornwäldchen hinter dem Weiher verschwand.
»Was ist?« Sie drehte sich in ihrem Stuhl.
»Vielleicht ein streunender Hund. Entschuldigen Sie bitte. Was mich interessieren würde: warum ich? Wenn tatsächlich unbegrenzt Geld zur Verfügung steht, könnten Sie doch eine kleine Armee engagieren. Oder Leute, denen es, wie soll ich sagen, weniger wichtig ist, dass der Flüchtige zum Prozess erscheinen kann. Warum also ich?«
»Jack Hardwick hat Sie empfohlen. Er hat mir versichert, dass Sie der Beste sind. Der Allerbeste. Wenn jemand dieser Sache auf den Grund gehen – sie klären, sie beenden – kann, dann Sie.«
»Und Sie glauben ihm?«
»Sollte ich nicht?«
»Warum glauben Sie ihm?«
Sie überlegte eine Weile, als hinge viel von ihrer Antwort ab. »Er war der erste Beamte, der mit dem Fall befasst war. Der Chefermittler. Ich fand ihn grob, unverschämt, zynisch. Er hat die Leute gepiesackt, wo er nur konnte. Einfach schrecklich. Aber er hatte fast immer recht. Ihnen kommt das vielleicht komisch vor, aber ich verstehe furchtbare Leute wie Jack Hardwick. Ich vertraue ihnen sogar. Und deswegen bin ich jetzt hier, Detective Gurney.«
Er starrte auf das Spargelkraut und berechnete ohne jeden Grund die Richtung, in die es sich neigte. Wahrscheinlich im Hundertachtzig-Grad-Winkel zu den vorherrschenden Winden auf dem Berg. Val Perry schien nichts gegen sein Schweigen zu haben. Noch immer hörte er das feine und präzise Schwirren der Kolibris bei ihrem Kampfritual – falls es sich um ein solches handelte. Manchmal dauerte es eine Stunde oder länger. Es war schwer zu begreifen, dass eine derart ausgedehnte Konfrontation oder Verführung keine Energieverschwendung sein sollte.
»Vorhin haben Sie erwähnt, dass Jillian ein ungesundes Interesse an ungesunden Männern hatte. Umfasst diese Beschreibung auch Scott Ashton?«
»Oh Gott, natürlich nicht. Scott war das Beste, was Jillian je passiert ist.«
»Sie haben die Heirat gebilligt?«
»Gebilligt? Was für eine bizarre Vorstellung!«
»Dann darf ich es anders formulieren. Waren Sie darüber erfreut?«
Ihr Mund lächelte, während ihn die Augen kühl taxierten. »Jillian hatte beträchtliche … Defizite. Defizite, die auf absehbare Zeit professionelle Hilfe notwendig machten. Da hätte die Ehe mit einem Psychiater, noch dazu einem erstklassigen Vertreter seines Fachs, sicher ein Vorteil sein können. Ich weiß, dass das irgendwie … falsch klingt. Ausbeuterisch vielleicht. Aber Jillian war in vieler Hinsicht einzigartig. Auch in ihrer Hilfsbedürfigkeit.«
Gurney zog fragend eine Braue hoch.
Sie seufzte. »Ist Ihnen bekannt, dass Dr. Ashton der Direktor des Privatinternats ist, das Jillian besucht hat?«
»Würde das nicht zu einem Interessenkonflikt …«
»Nein.« Sie klang, als hätte sie diesem Einwand schon öfter widersprochen. »Er ist Psychiater, doch an der Schule hat er sie nie betreut. Es gab also keinen ethischen Zwiespalt. Natürlich haben sich die Leute den Mund zerrissen. Klatsch, Klatsch, Klatsch. ›Er ist Doktor, sie ist Patientin.‹ Aber im Grunde war es schlicht so, dass eine ehemalige Schülerin den Leiter ihrer Highschool geheiratet hat. Sie war siebzehn, als sie die Schule verlassen hat. Die persönliche Beziehung zwischen ihr
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