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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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sprechen. Ende. Meinst du nicht, ich müsste wütend auf dich sein?«
    Sie klang überhaupt nicht wütend, also schenkte er sich die Antwort und schaute sie einfach an, erstaunt darüber, wie viel leuchtende Energie sie in jedes Wort legen konnte. Das war auch das Erste, was ihm in ihrem Kunstkurs aufgefallen war. Das und die weit auseinanderstehenden grünen Augen.
    »Aber ich verzeihe dir. Denn du wirst wieder Bilder machen. Brauchst gar nicht so den Kopf zu schütteln. Glaub mir, wenn ich dir das Ganze erklärt habe, wirst du nicht mehr den Kopf schütteln.« Sie verstummte und schien zum ersten Mal ihre Umgebung zu registrieren. »Ich habe Durst. Lass uns was trinken.«
    Als die pinkhaarige Kellnerin kam, bestellte Sonya einen Wodka mit Grapefruitsaft. Wider bessere Einsicht folgte Gurney ihrem Beispiel.
    »Also, du Pensionär«, sagte sie, nachdem ihre Drinks eingetroffen und gekostet worden waren. »Bevor ich dir erzähle, wie sich dein Leben verändern wird, möchte ich hören, wie es im Moment ist.«
    »Mein Leben?«
    »Du hast doch eins, oder?«
    Er hatte das beunruhigende Gefühl, dass sie bereits alles über sein Leben wusste, einschließlich aller Vorbehalte, Zweifel und Konflikte. Doch natürlich konnte sie es nicht wissen. Selbst als er noch mit der Galerie zu tun hatte, hatte er nie über solche Dinge gesprochen. »Mein Leben ist gut.«
    »Ah, aber das klingt nicht besonders überzeugend, mehr wie etwas, das du eben sagen musst.«
    »Tatsächlich?«
    Sie nippte von ihrem Glas. »Du willst mir also nicht die Wahrheit verraten?«
    »Was soll denn das deiner Meinung nach für eine Wahrheit sein?«
    Sie musterte ihn forschend, dann zuckte sie die Achseln. »Es geht mich ja nichts an.« Sie wandte sich dem Teich zu.
    Mit zwei Schlucken trank er sein halbes Glas leer. »Ich schätze, es ist wie das Leben der meisten Leute – ein bisschen dies, ein bisschen das.«
    »Bei dir hört sich das an wie eine ziemlich grimmige Mischung.«
    Er stieß ein unfrohes Lachen aus und schwieg eine Weile. »Ich habe festgestellt, dass ich nicht so ein Naturliebhaber bin, wie ich dachte.«
    »Und deine Frau schon?«
    Er nickte. »Nicht, dass es mir hier nicht gefallen würde, mit den Bergen und allem, aber …«
    Sie machte ein wissendes Gesicht. »Aber du verirrst dich in doppelten Verneinungen, wenn du es erklären musst?«
    »Was? Ach so. Sind mir die Schwierigkeiten so deutlich anzumerken?«
    »Unzufriedenheit ist einem immer anzumerken. Was ist? Magst du das Wort nicht?«
    »Unzufriedenheit? Es ist mehr … was ich gut kann, wie mein Verstand funktioniert, ist hier oben nicht besonders nützlich. Ich meine … ich analysiere Situationen, ich entwirre die Elemente eines Problems, ich konzentriere mich auf Diskrepanzen, ich löse Rätsel. Nichts davon …« Er verstummte.
    »Und deine Frau meint natürlich, du sollst die Gänseblümchen lieben, nicht analysieren. Du sollst ausrufen: ›Wie schön!‹ und nicht: ›Was tun die hier?‹ Hab ich recht?«
    »So kann man es ausdrücken.«
    Mit plötzlicher Begeisterung wechselte sie das Thema. »Es gibt einen Mann, mit dem du dich treffen musst. So bald wie möglich.«
    »Warum?«
    »Er will dich reich und berühmt machen.«
    Gurney verzog das Gesicht.
    »Ich weiß, ich weiß, Reichtum interessiert dich nicht besonders und Berühmtheit schon gar nicht. Bestimmt kannst du gute abstrakte Einwände ins Feld führen. Aber angenommen, ich erzähle dir jetzt etwas ganz Konkretes.« Sie schaute sich im Speisesaal um.
    Das ältere Paar erhob sich langsam vom Tisch, als wäre das ein Vorhaben, dem man sich mit Sorgfalt widmen muss. Die Blackberry-Enthusiasten waren immer noch damit beschäftigt, mit fliegenden Daumen Nachrichten einzugeben. Gurney kam plötzlich auf die seltsame Idee, dass sie einander über den Tisch SMS zuschickten.
    Sonya senkte die Stimme zu einem dramatischen Wispern. »Angenommen, ich erzähle dir, dass er einen deiner Porträtdrucke für hunderttausend Dollar kaufen will. Was würdest du dazu sagen?«
    »Dass er verrückt ist.«
    »Meinst du?«
    »Wie könnte es anders sein?«
    »Letztes Jahr wurde in New York Yves St. Laurents Bürostuhl für achtundzwanzig Millionen Dollar verkauft. Das ist vielleicht ein bisschen verrückt. Aber hunderttausend Dollar für eins deiner erstaunlichen Serienmörderporträts? Das finde ich überhaupt nicht verrückt. Wunderbar, sicher. Aber nicht verrückt. Und nach allem, was ich über den Mann weiß, wird der Preis deiner

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