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Schlimmes Ende

Titel: Schlimmes Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Ardagh
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Dickens’schen Treppe verbracht hatte, war sie mindestens elf Stunden und sechsunddreißig Minuten pro Tag mit Stricken beschäftigt gewesen. Zu Beginn hatte sie all die üblichen Dinge hergestellt - Schals, Teewärmer, Pudelmützen -, aber mit der Zeit war sie abenteuerlustiger geworden und strickte alles von Kaminen bis zu Leitern.
    Dawkins sah die Strickleiter, und ohne auch nur »Kann ich die mal eben haben?« zu sagen, schnappte er sie der Laberliese weg.
    Das war nicht die Art Leiter, auf der Dawkins hätte hinaufklettern können, um die Dickensens zu retten. Sie war ganz schlapp und hätte erst mal im Obergeschoss aufgehängt werden müssen…, aber wenn er die Strickleiter irgendwie zu ihnen nach oben schaffen konnte, konnten Mr und Mrs Dickens sie an etwas Schwerem festbinden, das andere Ende aus dem Fenster schmeißen und herunterklettern.
    »Ich habe ein Projekt!«, rief Dawkins.
    »Es ist jetzt nicht die Zeit, an Eier mit Speck zu denken!«, schrie Mrs Dickens.
    »Er hat ›Projekt‹ gesagt, nicht ›Eier mit Speck‹«, sagte Mr Dickens.
    »Was für ein Projekt?«, rief Mrs Dickens, deren Augenbrauen gerade von einer zufällig anwesenden Stichflamme versengt worden waren.
    Unglücklicherweise hatte Dawkins missverstanden, was seine Herrin auf das, was sie missverstanden hatte, geantwortet hatte. Er dachte, sie hätte »Es ist die richtige Zeit, an Eier mit Speck zu denken!« gesagt, weshalb er - stets der gehorsame Dienstbote, der nie die Dickens’schen Anordnungen infrage stellte - längst in die Küche gehuscht war, um ihnen,
anstatt sein Rettungsprojekt in die Wege zu leiten, einen kleinen Eier-Imbiss zuzubereiten, so recht dazu angetan, einem das Wasser im Munde zusammenlaufen zu lassen.
    Unterdessen wurde seitens der Laberliese - was kaum erstaunen kann - gelabert sowie auch gekrabbelt, den Flur entlang, ins Freie, in Sicherheit. Teile des Obergeschosses schlossen sich jetzt dem Untergeschoss an, auf schnellstem Wege, indem sie aus großer Höhe in brennenden Klumpen herunterfielen.
    Falls weder Mr noch Mrs Dickens innerhalb der nächsten acht Absätze ein gutes Projekt einfiel, und wenn sie dies, falls doch, nicht innerhalb kürzester Frist in die Tat umsetzten, kamen sie nie und nimmer lebend hier heraus…, und auf diese Weise wäre Eddie dann völlig zu Recht im Sankt-Fürchterlich-Heim für dankbare Waisen gelandet und nicht durch irgendeinen grässlichen Irrtum.
    Zu diesem Zeitpunkt begab es sich, dass Mrs Dickens einen Geistesblitz hatte. Normalerweise hatte sie etwa alle sechzehn Jahre einen, der nächste wäre also erst in drei Jahren fällig gewesen. Glücklicherweise kam dieser aber verfrüht. »Die Winde!«, schrie sie.
    »Die was?«
    »Folge mir!«, rief Eddies Mutti und raste zurück ins Schlafzimmer, wobei das Feuer um sie herum nur so wütete. Mr Dickens folgte ihr. Dort, in der Ecke, lag ein Bündel Laken. Es waren dieselben Laken, die aneinander gebunden und dazu verwendet worden waren, das Bett aus dem Fenster hinunterzulassen, als sie dem lieben Eddie und dem Wahnsinnigen Onkel Jack nebst Tante Maud zum Abschied zugewunken hatten.
    Der Grund dafür, dass die Laken nicht wie fast alles andere
ringsum verschmurgelt waren, war der, dass sie pitschnass waren. Es hatte heftig geregnet, als Eddies Eltern seine Kutsche in die Ferne hatten verschwinden sehen. Seitdem Dawkins Herrn und Herrin zurück ins Zimmer gehievt und mit frischen Laken aus braunem Packpapier versorgt hatte, lag das pitschnasse Bündel verknoteter Laken, welches verwendet worden war, um sie hinunter- und heraufzuhieven, vergessen in der Ecke.
    Inzwischen hatte die Hitze des Feuers die Laken fast getrocknet und über ihnen war das Zischen verdampfenden Wassers…, aber sie waren immer noch zu feucht zum Brennen.
    Mrs Dickens packte die Laken und knotete das eine Ende um den erstbesten Gegenstand, der nicht in Flammen stand. Unglücklicherweise für Mr Dickens war er das, und er musste sehr zappeln, um sich zu befreien. Er band dann die Laken an den Metallrahmen, der alles war, was von ihrem Bett übrig geblieben war. Der Rahmen war sehr heiß, und er verbrannte sich die Finger, aber man durfte keine Zeit verlieren.
    Unterdessen hatte Mrs Dickens das andere Ende der verknoteten Laken aus dem Fenster geworfen.
    »Los!«, sagte ihr Mann dringlich, und sie kletterte außen am Haus hinunter… und in Sicherheit.
    Jetzt war Eddies Vater an der Reihe. Er hatte schon immer Höhenangst gehabt, und ihm wurde bereits leicht

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