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Schlink,Bernhard

Schlink,Bernhard

Titel: Schlink,Bernhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sommerlügen
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Angeles, von ihrer
Arbeit bei einer Stiftung, die Kinder aus dem Ghetto Theater spielen ließ, von
dem Leben ohne Winter, von der Gewalt des Pazifik, vom Verkehr. Er erzählte vom
Sturz über ein falsch verlegtes Kabel, bei dem er sich den Finger gebrochen
hatte, vom Armbruch beim Sprung aus dem Fenster mit neun und vom Beinbruch beim
Skifahren mit dreizehn. Sie saßen zuerst alleine auf der Terrasse, dann kamen
weitere Gäste, und dann saßen sie bei einer zweiten Flasche wieder alleine.
Wenn sie aus dem Fenster sahen, lagen Meer und Strand in völliger Finsternis.
Der Regen rauschte auf das Dach. »Was haben Sie morgen vor?«
    »Ich
weiß, dass Sie im Bed & Breakfast Frühstück kriegen. Aber
wie wär's mit Frühstück bei mir?«
    Er
brachte sie nach Hause. Unter dem Schirm nahm sie seinen Arm. Sie redeten
nicht. Ihr kleines Haus lag an der Straße, an der eine Meile weiter sein Bed & Breakfast lag.
Vor der Tür ging von selbst das Licht an, und sie sahen einander zu plötzlich
zu hell. Sie umarmte ihn kurz und gab ihm den Hauch eines Kusses. Ehe sie die
Tür zumachte, sagte er: »Ich heiße Richard. Wie heißen...«
    »Ich
heiße Susan.«
     
    3
     
    Richard
wachte früh auf, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und hörte den Regen in
den Blättern der Bäume und auf dem Kies des Wegs. Er hörte das gleichmäßige,
beruhigende Rauschen gerne, auch wenn es für den Tag nichts Gutes verhieß.
Würden Susan und er nach dem Frühstück am Strand wandern? Oder im Wald um den
See? Oder Fahrrad fahren? Er hatte kein Auto gemietet und vermutete, dass auch
sie keines gemietet hatte. So war der Radius gemeinsamer Unternehmungen
begrenzt.
    Er
beugte und streckte den kleinen Finger, damit er später weniger üben musste.
Er hatte ein bisschen Angst. Wenn Susan und er nach dem Frühstück tatsächlich
den Tag gemeinsam verbringen und auch noch gemeinsam essen oder sogar kochen
würden - was kam danach? Musste er mit ihr schlafen? Ihr zeigen, dass sie eine
begehrenswerte Frau war und er ein begehrensstarker Mann? Weil er anders sie
kränken und sich blamieren würde? Er hatte über Jahre mit keiner Frau
geschlafen. Er fühlte sich nicht besonders begehrensstark und hatte sie am
letzten Abend auch nicht besonders begehrenswert gefunden. Sie hatte vieles zu
erzählen und zu fragen, hörte aufmerksam zu, war lebhaft und witzig. Dass sie,
ehe sie etwas sagte, immer einen winzigen Augenblick zögerte und, wenn sie sich
konzentrierte, die Augen zusammenkniff, hatte Charme. Sie weckte sein Interesse.
Sein Begehren?
    Im
Salon war für ihn das Frühstück gerichtet, und weil er das ältere Ehepaar, das
Orangensaft gepresst, Rühreier geschlagen und Pfannkuchen gebacken hatte,
nicht enttäuschen mochte, setzte er sich und aß. Die Frau kam alle paar
Minuten aus der Küche und fragte, ob er noch Kaffee wünsche oder mehr Butter
oder andere Marmelade oder Obst oder Joghurt. Bis er begriff, dass sie mit ihm
reden wollte. Er fragte sie, wie lange sie schon hier lebe, und sie setzte die
Kaffeekanne ab und blieb neben dem Tisch stehen. Vor vierzig Jahren hatte ihr
Mann eine kleine Erbschaft gemacht, und sie hatten das Haus auf dem Cape
gekauft, in dem er schreiben und sie malen wollte. Aber aus dem Schreiben und Malen
wurde nichts, und als die Kinder groß waren und die Erbschaft aufgebraucht war,
machten sie aus dem Haus ein Bed & Breakfast. »Was
Sie über das Cape wissen wollen, wo es am schönsten ist und wo man am besten
isst, fragen Sie mich. Und wenn Sie heute rausgehen - Strand ist auch bei Regen
Strand, Wald ist nur nass.«
    In
den Bäumen des Walds hing der Nebel. Er hüllte auch die Häuser ein, die abseits
der Straße standen. Das kleine Haus, in dem Susan wohnte, war ein Pförtnerhaus,
neben dem eine Auffahrt zu einem großen, nebelverhüllten, geheimnisvollen Haus
führte. Er fand keine Klingel und klopfte. »Gleich«, rief sie, und es klang
weit weg. Er hörte sie eine Treppe hinauflaufen, eine Tür zuwerfen und einen
Gang entlangrennen. Dann stand sie vor ihm, außer Atem und eine Flasche
Champagner in der Hand. »Ich war im Keller.«
    Der
Champagner machte ihm wieder Angst. Er sah Susan und sich mit den Gläsern vor
einem Feuer im Kamin auf einem Sofa sitzen. Sie rückte näher. Es war so weit.
    »Was
stehst du und guckst? Komm rein!«
    In
dem großen Zimmer neben der Küche sah er tatsächlich einen Kamin, daneben Holz
und davor ein Sofa. Susan hatte in der Küche gedeckt, und wieder trank er
Orangensaft und aß Rühreier,

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