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Schlink,Bernhard

Schlink,Bernhard

Titel: Schlink,Bernhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sommerlügen
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überlegen.«
    »Ja,
ich glaube, ich sollte mir Zeit nehmen. Brauchst du nicht auch Zeit?«
    »Auszeit?«
    »Auszeit.«
     
    14
     
    Sie
wollte nicht darüber diskutieren. Nein, er habe nichts falsch gemacht. Nichts,
was sie benennen könne. Nichts, was sie mit einem Paartherapeuten besprechen
wolle.
    Das
Essen kam. Sie aß mit Lust. Ihm war flau, und er stocherte mit der Gabel in
der Dorade herum. Als sie im Bett lagen, wies sie ihn nicht ab, begehrte ihn
aber auch nicht, und er hatte das Gefühl, sie brauche keine Zeit mehr, sie habe
sich schon entschieden, und er habe sie schon verloren.
    Am
nächsten Morgen fragte sie ihn, ob es ihm etwas ausmache, sie nach Marseille
zum Flughafen zu bringen. Es machte ihm etwas aus, aber er brachte sie hin und
versuchte, sie so zu verabschieden, dass sie seinen Schmerz, aber auch seine
Bereitschaft sah, ihre Entscheidung zu respektieren. Dass sie ihn in guter
Erinnerung behielte und wiedersehen und wiederhaben wollte.
    Dann
fuhr er durch Marseille, hoffte, er würde auf dem Bürgersteig plötzlich Renee
sehen, wusste aber, dass er nicht halten würde. Auf der Autobahn dachte er
daran, wie sein Leben in Frankfurt ohne Therese werden würde. Was er arbeiten
würde. Der Auftrag für ein neues Stück, auf den er gehofft hatte, war nicht
gekommen. Er konnte sich an das Expose für den Produzenten machen. Aber das
konnte er überall. Eigentlich zog ihn nichts nach Frankfurt.
    Wie
hatte Anne gesagt? Wenn du der Wahrheit begegnest und sie quälend findest, ist
nicht sie es, die dich quält, sondern das, wovon sie die Wahrheit ist. Und
immer macht sie dich frei. Er lachte. Die Wahrheit und das, wovon sie die
Wahrheit ist - er verstand noch immer nicht. Und ob sie einen frei macht -
vielleicht ist es umgekehrt, und man muss frei sein, damit man mit der Wahrheit
leben kann. Aber nichts sprach mehr dagegen, es mit der Wahrheit zu versuchen.
Irgendwo würde er die Autobahn verlassen und sich in einem Hotel einmieten, in
den Cevennen, im Burgund, in den Vogesen, und Anne alles schreiben.
     
    Das Haus im Wald
     
    1
     
    Manchmal
war ihm, als sei dies schon immer sein Leben gewesen. Als habe er immer schon
in diesem Haus im Wald gewohnt, an der Wiese mit den Apfelbäumen und den
Fliederbüschen, am Teich mit der Trauerweide. Als habe er immer schon seine
Frau und seine Tochter um sich gehabt. Und sei von ihnen verabschiedet worden,
wenn er wegfuhr, und willkommen geheißen, wenn er zurückkam.
    Einmal
in der Woche standen sie vor dem Haus und winkten ihm nach, bis sie sein Auto
nicht mehr sahen. Er fuhr in die kleine Stadt, holte die Post, brachte etwas
zum Reparieren, holte Repariertes oder Bestelltes ab, machte beim Therapeuten
Übungen für seinen Rücken, kaufte im General Store ein. Dort stand er vor der
Rückfahrt noch eine Weile an der Theke, trank einen Kaffee, redete mit einem
Nachbarn, las die New
York Times. Länger als fünf Stunden war er nicht weg. Er
vermisste die Nähe seiner Frau. Und er vermisste die Nähe seiner Tochter, die
er nicht mitnahm, weil ihr beim Fahren übel wurde.
    Sie
hörten ihn von weitem. Kein anderes Auto nahm den schmalen, geschotterten Weg,
der durch ein langes, waldiges Tal zu ihrem Haus führte. Sie standen wieder vor
dem Haus, Hand in Hand, bis er auf die Wiese bog, Rita sich von Kate losriss
und losrannte und ihm, der gerade noch den Motor abstellen und aus dem Auto
steigen konnte, in die Arme flog. »Papa, Papa!« Er hielt sie, überwältigt von
der Zärtlichkeit, mit der sie ihre Arme um seinen Hals schlang und ihr Gesicht
an seines schmiegte.
    An
diesen Tagen gehörte Kate ihm und Rita. Gemeinsam luden sie aus, was er aus der
Stadt gebracht hatte, machten sich am Haus oder im Garten zu schaffen,
sammelten im Wald Holz, fingen im Teich Fische, legten Gurken oder Zwiebeln
ein, kochten Marmelade oder Chutney, backten
Brot. Rita, voller Familienseligkeit und Lebenslust, rannte vom Vater zur
Mutter und von der Mutter zum Vater und redete und redete. Nach dem Abendessen
spielten sie zu dritt, oder er und Kate erzählten Rita mit verteilten Rollen
eine Geschichte, die sie sich beim Kochen ausgedacht hatten.
    An
den anderen Tagen verschwand Kate morgens aus dem Schlafzimmer in ihr
Arbeitszimmer. Wenn er ihr Kaffee und Obst zum Frühstück brachte, sah sie vom
Computer auf und lächelte ihn freundlich an, und wenn er ein Problem mit ihr
besprach, gab sie sich Mühe, es zu verstehen. Aber sie war mit den Gedanken
anderswo, und sie war es auch, wenn sie zu

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