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Schlink,Bernhard

Schlink,Bernhard

Titel: Schlink,Bernhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sommerlügen
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abgeschliffen, der offene Kamin
noch nicht gemauert, die Küchenmöbel noch nicht aufgehängt. Aber schon am Tag
nach dem Einzug führte er Kate in ihr fertiges Arbeitszimmer. Er hatte, als
alles ausgeladen und der Wagen abgefahren war, noch am Abend die Dielen
abgeschliffen und am nächsten Morgen Schreibtisch und Regale hochgebracht. Sie
setzte sich an den Schreibtisch, streichelte die Platte, zog die Schublade auf
und schob sie wieder zu, sah durch das linke Fenster auf den Teich und durch
das rechte auf die Wiese. »Du hast den Schreibtisch richtig gestellt - ich mag
mich weder für das Wasser noch für das Land entscheiden. Also schaue ich, wenn
ich geradeaus schaue, in die Ecke. In alten Häusern kommen die Geister aus den
Ecken und nicht durch die Türen.«
    An
Kates Arbeitszimmer grenzten das gemeinsame Schlafzimmer
und Ritas Zimmer, zur Rückseite des Hauses lagen das Badezimmer und eine kleine
Kammer, in die gerade ein Tisch und ein Stuhl passten. Im Erdgeschoss ging es
von der Eingangstür in den großen, durch einen offenen Kamin und tragende
Holzpfeiler gegliederten Koch-, Ess- und
Wohnbereich.
    »Sollen
Rita und du nicht tauschen? Sie ist nur zum Schlafen in ihrem Zimmer, und die
kleine Kammer ist für dich zum Schreiben viel zu eng.« Er sagte sich, Kate
meine es gut. Vielleicht hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil es, seit sie
sich kannten, mit ihrer Schriftstellerkarriere aufwärts- und mit seiner
abwärtsgegangen war. Sein erster Roman, in Deutschland ein Bestseller, hatte
in New York einen Verleger und in Hollywood einen Produzenten gefunden. So
hatte er Kate kennengelernt, ein junger deutscher Autor auf Lesereise in
Amerika, hier noch nicht erfolgreich, aber vielversprechend, mit Plänen für den
nächsten Roman. Aber über dem Warten auf den Film, der nie gedreht wurde, über
den Reisen mit Kate, die bald weltweit eingeladen wurde, und über der Sorge für
Rita hatte er sich für den nächsten Roman nur ein paar Notizen gemacht. Nach
seinem Beruf gefragt, sagte er weiterhin, er sei Schriftsteller. Aber er hatte
kein Projekt, auch wenn er es Kate nicht eingestand und manchmal sich selbst
vormachte, es sei anders. Was also sollte er in einem größeren Zimmer? Noch
stärker spüren, dass er auf der Stelle trat?
    Den
nächsten Roman verschob er auf später. Wenn er ihn dann noch interessieren
sollte. Immer öfter beschäftigte ihn mehr als alles andere, ob Rita in den
Kindergarten sollte. Dann würde sie ihm nicht mehr gehören.
     
    3
     
    Natürlich
liebten beide Eltern Rita. Aber Kate hatte sich ein Leben ohne Kinder
vorstellen können, er nicht. Als sie schwanger wurde, tat sie, als sei nichts.
Er drang darauf, dass sie zum Arzt und in die Schwangerschaftsgymnastik ging.
Er heftete die Ultraschallbilder an die Pinnwand. Er streichelte den dicken
Bauch, redete mit ihm, las ihm Gedichte und spielte ihm Musik vor, von Kate
belustigt geduldet.
    Kate
liebte sachlich. Ihr Vater, Professor für Geschichte in Harvard, und ihre
Mutter, als Pianistin oft auf Tournee, hatten die vier Kinder mit der
Effizienz aufgezogen, mit der man einen Betrieb führt. Die Kinder hatten eine
gute Kinderfrau, gingen auf gute Schulen, hatten guten Sprach- und guten
Musikunterricht und wurden von den Eltern in allem unterstützt, was sie sich in
den Kopf setzten. Sie traten in das Leben mit dem Bewusstsein, sie würden
erreichen, was sie erreichen wollten, ihre Männer oder Frauen würden im Beruf,
im Haus und im Bett funktionieren und ihre Kinder würden so selbstverständlich
mitlaufen, wie sie selbstverständlich mitgelaufen waren. Liebe war das Fett,
das diese Familienmaschine schmierte.
    Für
ihn waren Liebe und Familie die Erfüllung eines Traums, den er zu träumen
begann, als die Ehe seiner Eltern, der Vater ein Verwaltungsangestellter und
die Mutter eine Busfahrerin, immer tiefer in einen Strudel von Gehässigkeit, Geschrei
und Gewalt gezogen wurde. Auch ihn schlugen seine Eltern manchmal. Aber wenn es
geschah, akzeptierte er es als Reaktion auf eine Torheit, die er begangen
hatte. Wenn seine Eltern zuerst einander anschrien und dann aufeinander
einschlugen, war ihm und seinen Schwestern, als breche das Eis unter ihren
Füßen. Sein Traum von Liebe und Familie war dickes Eis, auf dem man fest
auftreten und sogar tanzen konnte. Zugleich hielt man sich in seinem Traum so
fest, wie er und seine Schwestern sich festgehalten hatten, wenn der Sturm
losbrach.
    Kate
war das Versprechen des dicken Eises. Bei einem Dinner

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