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Schlink,Bernhard

Schlink,Bernhard

Titel: Schlink,Bernhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sommerlügen
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auf der Buchmesse in Monterey hatte der Gastgeber sie nebeneinandergesetzt: die junge
amerikanische Autorin, deren erster Roman gerade nach Deutschland verkauft worden
war, und den jungen deutschen Autor, gerade mit seinem ersten Roman in Amerika
angekommen. If I
can make it there, I'll make it anywhere - seit er sein Buch in
New York in den Buchhandlungen gesehen hatte, fühlte er sich großartig, und er
erzählte seiner Tischnachbarin begeistert von seinen Erfolgen und seinen
Plänen. Dabei war er tapsig wie ein kleiner Welpe. Sie war belustigt und
gerührt und gab ihm das Gefühl der Sicherheit. Dass ältere, erfolgreiche Frauen
sich zu ihm hingezogen fühlten und seiner annehmen wollten, kannte und hasste
er. Kate nahm sich seiner an und war weder ganz so alt wie er noch ganz so
erfolgreich. Das Urteil der Leute schien sie nicht zu kümmern. Als er zum
Befremden des Gastgebers plötzlich aufstand und sie aufforderte, lachte sie und
tanzte mit ihm.
    Er
verliebte sich an diesem Abend in sie. Sie schlief verwirrt ein. Als sie sich
auf dem Buchfest in Paso Robles wieder trafen und Kate ihn mit aufs Zimmer
nahm, war er nicht der unbeholfene Junge, den sie sich vorgestellt hatte, sondern
ein Mann von leidenschaftlicher Hingabe. So hatte noch keiner sie geliebt. So
hatte sich im Schlaf auch noch keiner an sie geschmiegt, gedrängt, geklammert.
Es war eine rückhaltlose, vereinnahmende Art von Liebe, die sie nicht kannte
und die sie erschreckte und reizte. Als sie wieder in New York waren, blieb er
und warb linkisch und hartnäckig um sie, bis sie ihn bei sich einziehen ließ.
Ihre Wohnung war groß genug. Weil das Zusammenleben gut lief, heirateten sie
nach einem halben Jahr.
    Das
Zusammenleben änderte sich. Am Anfang arbeiteten beide Tisch an Tisch, zu Hause
oder in der Bibliothek, und traten gemeinsam auf. Dann kam Kates zweites Buch und wurde ein Bestseller. Jetzt trat nur noch
sie auf. Nach ihrem dritten Buch ging sie weltweit auf Reisen. Er begleitete
sie oft, mochte an den offiziellen Ereignissen aber nicht mehr teilnehmen. Zwar
stellte Kate ihn immer als den bekannten deutschen Schriftsteller vor. Aber
niemand kannte seinen Namen oder sein Buch, und er hasste die Höflichkeit, mit
der man ihm begegnete, nur weil er Kates Mann
war. Er spürte ihre Angst, er sei auf ihren Erfolg neidisch. »Ich bin nicht
neidisch. Du verdienst deinen Erfolg, und ich liebe deine Bücher.«
    Die
Schnittmenge zwischen ihren beiden Leben wurde kleiner. »So geht es nicht
weiter«, sagte er, »du bist zu viel weg, und wenn du da bist, zu erschöpft - zu
erschöpft zum Reden und zu erschöpft für die Liebe.«
    »Ich
leide selbst unter dem Trubel. Ich lehne schon fast alles ab. Was soll ich
machen? Ich kann nicht alles ablehnen.«
    »Wie
soll es erst mit Kind gehen?«
    »Kind?«
    »Ich
habe den Test mit den zwei roten Streifen gefunden.«
    »Das
sagt noch nichts.«
    Kate
wollte dem ersten Schwangerschaftstest nicht glauben und machte einen zweiten.
Als sie Mutter wurde, wollte sie zuerst auch nicht glauben, dass sie ihr Leben
ändern müsste, und lebte wie vor der Geburt. Aber wenn sie abends nach Hause
kam und ihre Tochter aufnahm, wand Rita sich in ihren Armen und streckte sich
nach dem Vater. Dann wurde Kate von der Sehnsucht nach einem anderen Leben überwältigt,
einem Leben mit Kind und Mann und Schreiben und nichts sonst. Im Getriebe des
nächsten Tages verging die Sehnsucht. Aber sie kam wieder, je älter Rita wurde,
desto stärker, und jedes Mal erschrak Kate mehr.
    Eines
Abends sagte er vor dem Einschlafen: »Ich mag so nicht mehr leben.«
    Plötzlich
bekam sie Angst, ihn und Rita zu verlieren, und das Leben mit den beiden erschien
ihr als das Kostbarste überhaupt. »Ich auch nicht. Ich bin die Reisen leid und
die Lesungen, Vorträge, Empfänge. Ich will mit euch sein und schreiben und
nichts sonst.«
    »Ist
das wahr?«
    »Wenn
ich schreiben kann, brauche ich nur euch. Ich brauche all das andere nicht.«
    Sie
versuchten, anders zu leben. Nach einem Jahr sahen sie ein, dass es ihnen in
New York nicht gelingen würde. »Das Leben hier frisst dich auf. Du liebst doch
Wiesen und Bäume und Vögel - ich suche uns ein Haus auf dem Land.«
     
    4
     
    Als
sie ein paar Monate auf dem Land gelebt hatten, sagte er: »Es sind nicht nur
die Wiese und die Bäume und die Vögel. Wie alles wird und wächst - das Haus ist
fast fertig, Rita ist gesünder als in der Stadt, und auf den Apfelbäumen, die
Jonathan und ich beschnitten haben,

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