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Schlink,Bernhard

Schlink,Bernhard

Titel: Schlink,Bernhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sommerlügen
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der Suche des jungen Paars machen. Schwelte ein Konflikt unter dem Leben,
das Kate und er führten? Kate war angestrengt. Aber wie sollte sie nicht
angestrengt sein! Sie hatte den selbstgesetzten Termin für die erste Fassung
einhalten wollen und in den letzten Wochen bis in die Nacht geschrieben.
    Nein,
unter ihrem Leben schwelte kein Konflikt. Seit dem dummen Streit um die
Buchmesse in Paris, zu der Kate, ohne mit ihm zu reden, zugesagt hatte, aber
schließlich absagte, hatten sie nicht mehr gestritten. Sie schliefen wieder
öfter zusammen. Er war nicht eifersüchtig auf ihren Erfolg. Sie liebten ihre
Tochter. Wenn sie zu dritt waren, lachten sie viel und sangen sie oft. Sie
wollten einen schwarzen Labrador und hatten sich beim Züchter für den nächsten
Wurf angemeldet.
    Er
stand auf und reckte sich. Eine Stunde konnte er noch schlafen. Er zog sich aus
und ging vorsichtig die knarrende Treppe hoch. Auf Zehenspitzen trat er ins
Schlafzimmer und blieb stehen, bis Kate, die vom Offnen und Schließen der Tür
unruhig geworden war, wieder ruhig schlief. Dann schlüpfte er zu ihr unter die
Decke und schmiegte sich an sie. Nein, kein Konflikt.
     
     
    5
     
    Bei
der nächsten Fahrt in die kleine Stadt kaufte er für den Winter ein. Es war
eigentlich nicht nötig; länger als einen Tag hatte es im letzten Winter nie
gedauert, bis die Straße vom Schnee geräumt war. Aber die Kartoffeln im Sack,
die Zwiebeln in der Kiste, das Kraut im Fass und die Äpfel auf dem Regal würden
den Keller für Rita zu einem heimeligen Ort machen. Sie würde sich freuen,
hinunterzusteigen, Kartoffeln abzuzählen und hochzubringen.
    Bei
der Farm, die auf dem Weg lag, bestellte er Kartoffeln, Zwiebeln und Sauerkraut.
Der Farmer bat: »Können Sie meine Tochter in die Stadt mitnehmen und auf der
Rückfahrt wieder absetzen? Wenn Sie Ihre Sachen holen?« Also nahm er die
sechzehnjährige Tochter mit, die Bücher aus der Bücherei holen wollte und ihn,
den neuen Nachbarn, neugierig ausfragte. Seine Frau und er hatten genug von
der Stadt? Sie suchten auf dem Land Ruhe? Was hatten sie in der Stadt gemacht?
Sie ließ nicht nach, bis sie erfuhr, dass er und seine Frau schrieben, und fand
es aufregend. »Wie heißt Ihre Frau? Kann ich was von ihr lesen?« Er wich aus.
    Danach
ärgerte er sich. Warum hatte er seine Frau nicht zur Übersetzerin oder
Webdesignerin gemacht? Sie waren nicht aus New York geflohen, um auf dem Land
in den nächsten Rummel um Kate zu geraten. Dann fand er in der New York Times auch noch den Hinweis,
dass in wenigen Tagen der National Book Award verliehen
würde. Jedes von Kates drei
Büchern war für den Preis im Gespräch gewesen. In diesem Jahr war zwar kein
neues Buch von ihr erschienen. Aber erst in diesem Jahr hatte die Kritik die
drei Bücher als Bild einer Epoche erkannt und gefeiert. Er konnte sich nicht
vorstellen, dass Kate nicht im Gespräch war. Wenn sie den Preis bekam, ging es
wieder los.
    Er
fuhr zur Bücherei und hupte. Die Tochter stand mit anderen Mädchen vor dem
Eingang; sie winkte, und die anderen schauten. Auf der Rückfahrt erzählte sie
ihm, wie spannend ihre Freundinnen fänden, dass seine Frau und er
Schriftsteller seien und in der Gegend lebten. Ob seine Frau oder er mal in die
Schule kämen und was über das Schreiben erzählten? Sie hätten schon Besuch von
einer Ärztin und einem Architekten und einer Schauspielerin gehabt. »Nein«,
sagte er schroffer als nötig, »so was machen wir nicht.«
    Als
er sie abgesetzt und seine Sachen geladen hatte und wieder alleine im Wagen
saß, fuhr er bis zu dem Aussichtspunkt, an dem er bisher immer vorbeigefahren
war, und hielt auf dem leeren Parkplatz. Vor ihm senkte sich der bunte Wald in
ein weites Tal, stieg dahinter an und leuchtete noch bis zur ersten Bergkette.
Bei der zweiten wurden die Farben matt, und in der Ferne verschmolzen Wald und
Berge mit dem blassen blauen Himmel. Über dem Tal kreiste ein Habicht.
    Der
Farmer, der sich für die örtliche Geschichte interessierte, hatte ihm einmal
vom überraschenden Wintereinbruch 1876 erzählt, von dem Schnee, der mitten im Indian Summer fiel, zunächst leicht und den Kindern zur Freude,
dann dichter und dichter, bis alles eingeschneit und die Wege unpassierbar und
die Häuser unerreichbar waren. Wer unterwegs vom Schnee überrascht wurde,
hatte keine Chance, aber auch von denen, die in ihren Häusern eingeschlossen
wurden, erfroren manche. Es gab Häuser fernab von allen Straßen, von denen erst
mit der

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