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Schlink,Bernhard

Schlink,Bernhard

Titel: Schlink,Bernhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sommerlügen
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hungriger aufeinander. Hier... wir
sind wie ein altes Paar, zärtlich, aber nicht mehr leidenschaftlich. Als ob uns
die Leidenschaft abhanden gekommen wäre.«
    Er
ärgerte sich. Ja, ihr Sex war ruhiger geworden, ruhiger und inniger. Gierig und
hastig waren sie in New York oft übereinander hergefallen, und das hatte seinen
Reiz gehabt wie das gierige und hastige Leben in der Stadt. Ihr Sex war wie ihr
Leben, hier wie dort, und wenn Kate sich nach Gier und Hast sehnte, dann womöglich
nicht nur beim Sex. Hatte sie die Ruhe nur gebraucht, um ihr Buch zu schreiben?
War sie jetzt, wo sie mit dem Buch fertig wurde, auch mit dem Leben auf dem
Land fertig? Er ärgerte sich nicht mehr. Er hatte Angst. »Ich würde gerne öfter
mit dir schlafen. Ich würde
gerne in dein Zimmer platzen und dich auf meine Arme nehmen, und du würdest mir
deine Arme um den Hals legen, und ich würde dich ins Bett tragen. Ich...«
    »Ich
weiß. Ich habe, was ich gesagt habe, nicht so gemeint. Wenn das Buch fertig
ist, wird's wieder besser. Mach dir keine Sorgen.«
    Kate
kam in seine Arme, und sie schliefen miteinander. Als er am nächsten Morgen
aufwachte, war sie schon wach und schaute ihn an. Sie sagte nichts, und auch er
legte sich auf die Seite und sah sie an, ohne etwas zu sagen. Er konnte in
ihren Augen nicht lesen, was sie fühlte oder dachte, und versuchte, auch mit
seinem Blick nicht seine Angst zu verraten. Er hatte ihr gestern nicht
geglaubt, dass sie, was sie gesagt hatte, nicht so gemeint hatte, und er
glaubte es ihr heute nicht. Seine Angst war voller Sehnsucht und Verlangen. Ihr
Gesicht mit der hohen Stirn, den hochmütig geschwungenen Brauen über den
dunklen Augen, der langen Nase, dem großzügigen Mund und dem Kinn, das glatt
oder geballt oder gefurcht Kates Stimmung
ausdrückte - es war die Landschaft, in der seine Liebe zu Hause war. Sie war
freudig zu Hause, wenn das Gesicht sich ihm öffnete und zuwandte, ängstlich,
wenn es sich verschloss und ihn abwies. Ein Gesicht, dachte er, nicht mehr, und
ist doch alle Vielfalt, die ich brauche und die ich ertrage. Er lächelte. Sie
schaute weiter stumm und ernst, legte ihm aber den Arm auf den Rücken und zog
ihn an sich.
     
    7
     
    Auf
der Fahrt in die Stadt hielt er beim gestürzten Baum und Mast und der
zerrissenen Leitung. Beim Durchdrehen hatten die Räder seines Autos auf der
Straße Spuren hinterlassen. Er verwischte sie.
    Alles
sah aus, als sei es einfach so passiert. Er konnte in die Stadt fahren und die
Telefongesellschaft benachrichtigen. Noch war ihm nichts vorzuwerfen. Aber
auch wenn er die Telefongesellschaft nicht benachrichtigte, war ihm nichts
vorzuwerfen. Er hatte den gestürzten Baum und Mast und die zerrissene Leitung
nicht gesehen. Wieso hätte er sie sehen sollen? Der Techniker, der in ihrem
Haus die Kabel verlegt und die Computer installiert hatte und den er zu benachrichtigen
versprochen hatte, mochte auf seiner Fahrt zu ihnen sehen, was passiert war.
Oder nicht.
    Der
Techniker war nicht in seiner Werkstatt. An der Tür hing ein Zettel, er besuche
einen Kunden und komme bald zurück. Aber der Zettel war vergilbt, und durch die
schmutzigen Fenster war nicht auszumachen, ob die Werkstatt in Betrieb war
oder für einen Urlaub oder den Winter geschlossen. Telefone und Computer
standen auf den Tischen, Kabel, Stecker, Schraubenzieher.
    Im
General Store war er der einzige Kunde. Der Eigentümer sprach ihn an und
erzählte vom Stadtfest am nächsten Samstag. Ob er nicht kommen wolle? Und seine
Frau und Tochter mitbringen? Er war mit Kate und Rita nie im General Store gewesen
und auch sonst in keinem Laden oder Restaurant. Sie waren manchmal durch die
Stadt gefahren, das war alles. Was wusste der Eigentümer noch von ihnen?
    Dann
sah er Kates Bild
in der New York Times. Sie
hatte den Preis bekommen. Dass sie zur Preisverleihung nicht erschienen war,
wurde berichtet, dass ihre Agentin den Preis entgegengenommen hatte und dass
Kate für einen Kommentar nicht erreicht werden konnte.
    Las
der Eigentümer die Zeitung nicht? Hatte er Kate auf dem Bild nicht erkannt?
Hatte er sie, als sie mit ihm durch die Stadt fuhr, nicht genau genug gesehen?
Hatten andere Kate, als sie mit ihm durch die Stadt fuhr, genauer gesehen und
auf dem Bild erkannt? Würden sie die New
York Times anrufen und melden, wo Kate erreicht werden
konnte? Oder würden sie den Herausgeber des Weekly Herald benachrichtigen, in dem wöchentlich neben Werbung kleine
Berichte über Verbrechen und Unfälle,

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