Schloss aus Glas
ihrer Billard-Queues mit Kreide ein. Dad hielt sich zunächst zurück und verlor etwas Geld an Robbie, dann erhöhte er den Einsatz und gewann. Nach jeder Partie wollte Robbie wieder mit mir tanzen. So ging es zwei Stunden weiter. Robbie wurden langsam betrunken, verlor gegen Dad und begrapschte mich, wenn wir tanzten oder zwischen den Partien an der Theke saßen. Dad sagte zu mir: »Halt immer schön die Beine gekreuzt, Schätzchen, so fest du kannst.«
Nachdem Dad ihm gut achtzig Dollar abgeknöpft hatte, fing Robbie an, wütend vor sich hin zu knurren. Er knallte die Kreide so fest hin, dass eine kleine blaue Wolke aufstieg, und vermasselte auch das letzte Spiel. Er warf den Billardstock auf den Tisch und erklärte, er habe genug. Dann setzte er sich erneut neben mich. Seine Augen waren trüb. Er sagte immer wieder, er könne nicht fassen, dass der alte Sack ihm achtzig Mäuse abgeluchst hatte, als wüsste er selbst nicht genau, ob er stinksauer oder beeindruckt sein sollte.
Dann sagte er zu mir, seine Wohnung liege direkt über der Kneipe. Er habe eine Platte von Roy Acuff, die nicht in der Jukebox wäre, und er würde sie mir gern oben bei sich vorspielen. Falls er nur vorhatte, noch ein bisschen zu tanzen und, vielleicht, mich zu küssen, wäre ich damit klargekommen. Aber ich hatte das Gefühl, dass er meinte, ein Recht auf Entschädigung für das viele verlorene Geld zu haben.
»Ich weiß nicht«, sagte ich.
»Ach, komm schon«, sagte er und rief Dad zu: »Ich verschwinde mit deinem Mädchen nach oben.«
»Klar«, sagte Dad. »Aber tu nichts, was ich nicht auch tun würde.« Er zeigte mit seinem Billardstock auf mich. »Schrei, wenn du mich brauchst«, sagte er und zwinkerte mir zu, als wollte er sagen, er wisse genau, dass ich schon auf mich aufpassen konnte und das bloß Teil meines Jobs war.
Also ging ich mit Dads Segen nach oben. In der Wohnung traten wir durch einen Vorhang aus Schnüren, auf die Bierdosen-Verschlussringe aufgereiht waren. Zwei Männer saßen auf einer Couch und kuckten einen Ringkampf im Fernsehen. Als sie mich sahen, grinsten sie anzüglich. Robbie legte die Roy-Acuff-Platte auf, ohne den Fernseher leiser zu stellen. Er presste mich an sich und fing wieder an zu tanzen, aber ich wusste, dass es eine Richtung nahm, die ich nicht wollte, und ich sträubte mich. Dann rutschten seine Hände nach unten. Er packte meinen Hintern, schob mich aufs Bett und fing an, mich zu küssen. »Gut so!«, sagte einer von den beiden Männern, und der andere brüllte: »Mach schon!«
»Ich bin nicht so ein Mädchen«, sagte ich, aber er ignorierte es. Als ich mich wegrollen wollte, hielt er meine Arme fest. Dad hatte gesagt, ich sollte brüllen, wenn ich ihn brauchte, aber ich wollte nicht schreien. Ich war so wütend auf Dad, dass ich die Vorstellung unerträglich fand, von ihm gerettet zu werden. Robbie sagte jetzt irgendwas in der Art, ich wäre ihm zum Bumsen zu knochig.
»Ja, die meisten Jungs mögen mich nicht«, sagte ich. »Ich bin nicht nur spindeldürr, ich hab auch noch die Narben.«
»Ja, klar«, sagte er. Aber er hielt inne.
Ich rollte mich vom Bett, knöpfte rasch mein Kleid an der Taille auf und zeigte ihm die Narbe an meiner rechten Seite. Sie war nicht viel größer als meine Hand, aber sie mussten glauben, mein ganzer Oberkörper wäre ein einziges Narbengewebe. Robbie blickte seine Freunde unsicher an. Es war, als täte sich eine Lücke im Zaun auf.
»Ich glaube, mein Dad hat gerufen«, sagte ich und eilte zur i ur.
Im Auto zählte Dad das Geld ab, das er gewonnen hatte, und gab mir vierzig Dollar.
»Wir sind ein prima Team«, sagte er.
Am liebsten hätte ich ihm das Geld ins Gesicht geworfen, aber wir brauchten es, also steckte ich die Scheine in mein Portemonnaie. Wir hatten Robbie nicht direkt übers Ohr gehauen, aber wir hatten ihn richtig mies drangekriegt, und ich hätte beinahe dafür bezahlen müssen. Wenn Robbie von Dad reingelegt worden war, dann ich ebenfalls.
»Bist du wegen irgendwas sauer, Bergziege?«
Einen Moment lang überlegte ich, Dad nichts zu sagen. Ich hatte Angst, es würde Blut fließen, da Dad immer getönt hatte, er würde jeden umlegen, der mich auch nur anfasste. Dann beschloss ich, den Typen ans Messer zu liefern. »Dad, der Widerling ist zudringlich geworden, als wir oben waren.«
»Er hat dich bestimmt nur ein bisschen begrapscht«, sagte Dad, als wir losfuhren. »Ich hab gewusst, dass du allein klarkommst.«
Die Straße zurück nach Welch
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