Schloss aus Glas
weiter. »Du weißt ganz genau, dass du deine Eltern respektieren sollst.«
»Dad, Mom ist nicht krank, sie macht bloß blau«, sagte ich. »Sie muss ihre Verpflichtungen ernster nehmen. Sie muss ein bisschen erwachsen werden.«
»Für wen hältst du dich?«, fragte er. »Sie ist deine Mutter.«
»Warum benimmt sie sich dann nicht wie eine?« Ich blickte Dad einen unerträglich langen Augenblick an, und dann sagte ich mit Nachdruck: »Und wieso benimmst du dich nicht wie ein Dad?«
Ich konnte sehen, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Er packte mich am Arm. »Dafür entschuldigst du dich sofort!«
»Und wenn nicht?«, fragte ich.
Dad stieß mich gegen die Wand. »Dann zeig ich dir, wer hier der Boss ist.«
Sein Gesicht war nur Zentimeter von meinem entfernt. »Und wie willst du mich bestrafen?«, fragte ich. »Mich nicht mehr mit in Kneipen nehmen?«
Dad hob die Hand, als wollte er mich ohrfeigen. »Pass auf, was du sagst, junge Dame. Ich kann dir noch immer den Hintern versohlen, und denk ja nicht, ich trau mich nicht.«
»Das ist nicht dein Ernst«, sagte ich.
Dad senkte die Hand. Er zog seinen Gürtel aus den Schlaufen der Arbeitshose und wickelte ihn sich zweimal um die Hand.
»Entschuldige dich bei mir und deiner Mutter«, sagte er.
»Nein.«
Dad hob den Gürtel. »Entschuldige dich.«
»Nein.«
»Dann beug dich vor.«
Dad stand zwischen mir und der Tür. Der einzige Fluchtweg war an ihm vorbei. Aber ich hatte weder vor zu fliehen noch zu kämpfen. Meiner Ansicht nach steckte er mehr in der Klemme als ich. Er musste einen Rückzieher machen, denn wenn er sich auf Moms Seite stellte und mir eine Tracht Prügel verabreichte, würde er mich für immer verlieren.
Wir starrten einander an. Dad wartete anscheinend, dass ich die Augen senkte, mich entschuldigte und ihm sagte, dass ich Unrecht hatte. Dann könnten wir so weitermachen wie bisher, aber ich hielt seinem Blick stand. Um ihn zu zwingen, Farbe zu bekennen, drehte ich mich schließlich um, beugte mich leicht nach vorn und legte die Hände auf die Knie.
Ich rechnete fest damit, dass er gehen würde, aber dann folgten sechs schmerzhafte Schläge hinten auf meine Oberschenkel, jeder begleitet von einem Pfeifen in der Luft. Noch bevor ich mich wieder aufrichtete, konnte ich spüren, wie die Striemen anschwollen.
Ich ging aus der Küche, ohne Dad anzuschauen. Mom stand direkt hinter der Tür. Sie hatte gelauscht. Auch sie würdigte ich keines Blickes, aber aus den Augenwinkeln konnte ich ihre triumphierende Miene sehen. Ich biss mir auf die Lippen, um nicht zu weinen.
Sobald ich draußen war, lief ich in den Wald, stieß Zweige und wild wuchernde Ranken beiseite. Ich dachte, ich würde weinen, sobald ich ein Stück vom Haus entfernt war, doch stattdessen musste ich mich übergeben. Ich kaute ein bisschen Wilde Minze gegen den unangenehmen Geschmack im Mund und streifte lange, mir kam es wie Stunden vor, durch die lautlosen Hügel. Die Luft war klar und kühl, und der Waldboden war bedeckt mit dem Laub von Rosskastanien und Pappeln. Am späten Nachmittag setzte ich mich auf einen umgestürzten Baumstamm, vorsichtig, weil mir die Rückseite der Oberschenkel noch von den Schlägen wehtat. Die ganze Zeit im Wald hatten die Schmerzen meine Gedanken auf Trab gehalten, und als ich bei dem Baum ankam, hatte ich zwei Entscheidungen getroffen.
Die erste war die, dass das meine letzte Tracht Prügel gewesen war. Ich würde mich von niemandem mehr schlagen lassen.
Die zweite Entscheidung war, dass ich wie Lori aus Welch weggehen würde, je früher, desto besser. Wenn möglich, noch bevor ich mit der Highschool fertig war. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich sollte, aber ich wusste, dass ich gehen würde. Ich wusste auch, dass es nicht leicht sein würde. Viele blieben irgendwie in Welch hängen. Ich hatte gedacht, dass Mom und Dad uns rausbringen würden, aber mir war jetzt klar, dass damit nicht mehr zu rechnen war. Ich musste es allein durchziehen. Dazu waren Geld und gute Planung erforderlich. Ich beschloss, gleich am nächsten Tag zum Billigladen G. C. Murphy zu gehen und das rosa Sparschwein zu kaufen, das ich dort gesehen hatte. Ich würde die fünfundsiebzig Dollar hineintun, die ich von meinem Gehalt bei Becker's Jewel Box hatte sparen können. Das wäre der Grundstock meiner Fluchtkasse.
Im selben Herbst kamen zwei Typen nach Welch, die anders waren als alle Leute, die ich kannte. Die beiden waren Filmemacher aus New York und waren im Rahmen
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