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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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diese noblesse oblige richtig gut drauf, Bergziege«, sagte Dad dann.
    Auch Mom schloss Elvis schließlich ins Herz. Sie hatte als Lehrerin aufgehört und widmete sich stattdessen ihrer Malerei, und an den Wochenenden fuhren wir durch ganz West Virginia auf Kunsthandwerksmärkte, wo bärtige Männer in Overalls Hackbrett spielten und Frauen in Omakleidern Rückenkratzer aus Maiskolben und Kohleskulpturen von schwarzen Bären und Bergleuten verkauften. Wir luden Elvis' Kofferraum mit Moms Bildern voll und boten sie auf den Märkten an. Mom malte auch vor Ort Pastellporträts von jedem, der bereit war, achtzehn Dollar zu zahlen, und ab und zu fand sie tatsächlich einen Kunden.
    Wir schliefen alle in Elvis, wenn wir unterwegs waren, weil wir meistens gerade mal das Spritgeld verdienten, und oft nicht mal das. Trotzdem war es ein schönes Gefühl, wieder herumzukommen. Unsere Fahrten mit Elvis erinnerten mich daran, wie leicht es war, einfach seine Sachen zu packen und weiterzuziehen, wenn man den Drang dazu verspürte. Sobald man fest entschlossen war, zu gehen, war wirklich nichts dabei.
    Als der Frühling vor der Tür stand und sich Loris Schulabschluss unaufhaltsam näherte, lag ich abends im Bett und dachte über ihr Leben in New York nach. »In genau drei Monaten«, sagte ich zu ihr, »lebst du in New York.« In der Woche darauf sagte ich: »In genau zwei Monaten und drei Wochen lebst du in New York.«
    »Würdest du bitte den Mund halten«, sagte sie.
    »Du hast doch wohl keine Angst, oder?«, fragte ich.
    »Was glaubst du denn?«
    Lori hatte sogar richtig Panik. Sie wusste nicht, was genau sie in New York eigentlich machen sollte. An der Stelle war unser Fluchtplan immer ziemlich vage gewesen. Im letzten Herbst war ich sicher davon ausgegangen, dass sie ein Stipendium für eine der Unis in New York erhalten würde. Sie hatte sich für ein nationales Stipendienprogramm für begabte Schüler beworben und war in die Endauswahl gekommen. Doch für die letzte Prüfung hatte sie per Anhalter nach Bluefield fahren müssen und war von dem Fahrer begrapscht worden. Sie kam fast eine Stunde zu spät und fiel durch.
    Mom, die Loris New-York-Pläne unterstützte und immer wieder sagte, wie gern sie selbst in die Metropole ziehen würde, schlug vor, Lori solle sich an der Kunsthochschule Cooper Union bewerben. Lori stellte eine Mappe mit ihren Zeichnungen und Gemälden zusammen, doch kurz vor dem Abgabetermin kippte sie eine Kanne Kaffee darüber, was Mom veranlasste, sich laut zu fragen, ob Lori Angst vor Erfolg hatte.
    Dann hörte Lori von einem Stipendium, das von einem Literaturverein gesponsert wurde. Die Bewerber mussten ein Kunstwerk einreichen, das durch ein Genie der englischen
    Sprache inspiriert wurde. Lori entschied sich, eine Tonbüste von Shakespeare zu machen. Sie arbeitete eine Woche daran, für die leicht hervorquellenden Augen, den Ziegenbart, den Ohrring und das längere Haar benutzte sie den angespitzten Holzstiel von einem Eis. Als die Büste fertig war, sah sie genauso aus wie Shakespeare.
    Wir saßen an diesem Abend gerade alle am Zeichentisch und schauten zu, wie Lori letzte Hand an Shakespeares Haare legte, als Dad betrunken nach Hause kam. »Der hat wirklich verblüffende Ähnlichkeit mit dem alten Billy«, sagte Dad. »Der einzige Haken, wie ich immer wieder sage, ist der, dass er ein verfluchter Schwindler war.«
    Seit Jahren ließ Dad sich darüber aus, wenn Mom mal wieder Shakespeares Stücke hervorholte, dass sie nicht aus der Feder von William Shakespeare aus Stratford-upon-Avon stammten, sondern von mehreren Leuten geschrieben worden waren, unter anderem auch von einem gewissen Earl of Southhampton, weil nämlich kein Mensch im elisabethanischen England Shakespeares dreißigtausend Wörter umfassenden Wortschatz gehabt haben konnte. Das ganze Getue um den kleinen Billy Shakespeare, so Dad, das große Genie mit der dürftigen Schulausbildung, dem schlechten Latein und dem noch schlechteren Griechisch, sei nichts anderes als ein sentimentales Märchen.
    »Und du hilfst mit, den Schwindel fortzusetzen«, sagte er zu Lori.
    »Dad, es ist bloß eine Büste«, sagte Lori.
    »Das ist ja das Problem«, sagte Dad.
    Er studierte die Skulptur, streckte dann plötzlich die Hand aus und schmierte Shakespeares Mund mit dem Daumen weg.
    »Was soll denn das, verdammt noch mal?«, schrie Lori.
    »Jetzt ist es nicht mehr nur eine Büste«, sagte Dad. »Jetzt hat es einen symbolischen Wert. Du kannst dein Werk

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