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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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ritzen konnte. Für uns war das der »Wald«.
    Auf der Müllhalde gab es auch eine Stelle, wo giftige und gefährliche Abfälle wie alte Batterien, Öltonnen, Farbdosen und Flaschen mit Totenkopf drauf gelagert waren. Brian und ich fanden, dass ein paar von den Sachen sich prima für ein wissenschaftliches Experiment eignen würden. Wir füllten also zwei Kisten mit allerlei Flaschen und Dosen und brachten sie in eine verlassene Hütte, die unser Labor wurde. Zuerst mischten wir Verschiedenes zusammen und hofften, dass es explodieren würde, aber nichts geschah. Also schlug ich ein Experiment vor, um festzustellen, ob irgendwas von dem Zeug überhaupt brennbar war.
    Am nächsten Tag kamen wir nach der Schule mit einer Packung von Dads Streichhölzern zurück. Wir schraubten die Deckel von einigen Behältern ab und warfen Streichhölzer hinein, aber es tat sich noch immer nichts. Also mixten wir uns »Atombenzin« zusammen, wie Brian es nannte, indem wir verschiedene Flüssigkeiten in eine Dose kippten. Als wir ein Streichholz hineinwarfen, zischte es, und eine Stichflamme wie aus einem Düsentriebwerk schoss hoch.
    Es riss Brian und mich von den Beinen. Als wir wieder aufstanden, sahen wir, dass eine Wand brannte. Ich schrie, wir müssten raus aus der Hütte, aber Brian sagte, wir würden Ärger kriegen, wenn wir den Brand nicht löschten, und warf Sand auf das Feuer. Funken wirbelten durch den Raum. Die Flammen loderten schon bis zur Tür, fraßen sich in Windeseile durch das trockene alte Holz. Ich trat ein Brett aus der hinteren Wand heraus und kroch nach draußen. Als Brian nicht hinterherkam, rannte ich die Straße hinunter und schrie um Hilfe. Da sah ich Dad zu Fuß von der Arbeit kommen. Wir rannten zusammen zu dem Schuppen. Dad trat
    noch weitere Bretter aus der Wand und zog den hustenden Brian heraus.
    Ich dachte, Dad würde wütend sein, aber das war er nicht. Er war ziemlich ruhig. Wir blieben auf der Straße stehen und sahen zu, wie die Flammen die Hütte verschlangen. Dad hatte die Arme um uns gelegt. Er sagte, es wäre ein unglaublicher Zufall, dass er gerade vorbeigekommen war. Dann zeigte er auf eine Stelle oberhalb des Feuers, wo die züngelnden gelben Flammen sich in eine unsichtbare, flimmernde Hitze auflösten. Die Wüste dahinter sah aus, als würde sie zittern, wie eine Fata Morgana. Dad erklärte uns, dass die Physik den Bereich als die Grenze zwischen Turbulenz und Ordnung bezeichnete. »Dort gelten keine Regeln, oder zumindest haben sie noch keine entdeckt«, sagte er. »Ihr beide seid ihr heute ein bisschen zu nah gekommen.«
    Taschengeld kriegten wir Kinder keins. Wenn Brian und ich Geld haben wollten, suchten wir den Straßenrand nach leeren Bierdosen und Flaschen ab, für die man jeweils zwei Cent Pfand bekam. Wir sammelten auch Altmetall, das einem der Schrotthändler für einen Penny das halbe Kilo -drei Cent für ein halbes Kilo Kupfer - abkaufte. Wenn wir das Flaschenpfand eingelöst oder den Schrott verkauft hatten, gingen wir in den Drugstore gleich neben dem Owl Club. Das Angebot an köstlichen Süßigkeiten war so groß, dass wir eine geschlagene Stunde brauchten, um zu überlegen, wofür wir die zehn Cent ausgeben sollten, die jeder von uns verdient hatte. Wenn wir uns für etwas entschieden hatten und bezahlen wollten, änderten wir plötzlich unsere Meinung und suchten uns etwas anderes aus, bis es dem Mann, dem der Laden gehörte, zu bunt wurde und er uns aufforderte, nicht alles anzufassen, sondern endlich etwas zu kaufen und zu verschwinden.
    Brian mochte am liebsten SweeTart-Lutscher, die es in allen möglichen Formen gab und an denen er so lange herumlutschte, bis seine Zunge wund war und blutete. Ich liebte Schokolade, aber die hatte ich immer im Nu verputzt, also nahm ich meistens einen Sugar Daddy, einen Lutscher mit Karamellgeschmack, der fast den halben Tag lang hielt und auf dem Stiel immer einen ulkigen Spruch in rosa Schrift stehen hatte. Zum Beispiel: Sind deine Füße eingeschlafen und schwach, trag schrille Socken, die halten sie wach.
    Auf dem Rückweg vom Drugstore machten Brian und ich manchmal Station am Green Lantern - einem großen dunkelgrünen Haus mit einer durchhängenden Veranda direkt an
    der Hauptstraße. Mom sagte, es wäre ein Freudenhaus, aber es ging dort eigentlich nie besonders lustig zu. Das einzig Spaßige war, dass die Frauen, die da auf der Veranda saßen oder sich rekelten, Badeanzüge oder ganz kurze Kleidchen anhatten und den

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