Schloss aus Glas
im selben Bett, und ich dachte, dass sie sich vielleicht im Schlaf bewegte. Müde stieß ich die Hand weg.
»Ich will nur ein bisschen mit dir spielen«, sagte eine Männerstimme.
Ich erkannte die Stimme. Sie gehörte einem hageren Kerl mit eingefallenen Wangen, der sich in letzter Zeit öfters auf der North Third Street herumgetrieben hatte. Einmal hatte er uns von der Schule nach Hause begleiten wollen, und er hatte Brian ein Heft geschenkt, das Farmkinder hieß und in dem Jungen und Mädchen abgelichtet waren, die bloß Unterhosen anhatten.
»Du Perverser!«, schrie ich und trat nach der Hand des Mannes. Brian kam mit einem Beil ins Zimmer gestürmt, das er immer neben seinem Bett liegen hatte, und der Mann suchte schleunigst das Weite. Dad war an dem Abend nicht zu Hause, und Mom war nicht wach zu kriegen, wenn sie tief und fest schlief, also nahmen Brian und ich allein die Verfolgung auf. Als wir auf dem Bürgersteig ankamen, der vom rötlichen Schein der Straßenlampen erhellt wurde, verschwand der Mann gerade um die Ecke. Wir suchten eine Weile die Gegend nach ihm ab, und Brian hackte mit seinem Beil auf die Büsche ein, aber wir fanden ihn nicht mehr. Auf dem Weg nach Hause schlugen wir klatschend die Hände gegeneinander und reckten die Fäuste in die Luft, als hätten wir einen Boxkampf gewonnen. Wir nannten das, was wir gerade getan hatten, Perverse jagen, was so ähnlich war wie Dämonen jagen, nur dass der Feind nicht bloß das Fantasieprodukt eines Kindes war, sondern real und gefährlich.
Als Dad am nächsten Tag nach Hause kam und wir ihm erzählten, was passiert war, sagte er, er würde diesen widerlichen Drecksack umbringen, und er und Brian und ich gingen ernsthaft auf Perversenjagd. Mit Herzklopfen suchten wir stundenlang die Straßen ab, aber wir sahen den Kerl nicht wieder. Am Abend fragte ich Mom und Dad, ob wir nicht die Türen und Fenster schließen sollten, bevor wir schlafen gingen. Sie waren strikt dagegen. Wir bräuchten die frische Luft, sagten sie, und dass es wichtig für uns sei, unserer Angst nicht nachzugeben.
Also blieben die Fenster offen. Maureen hatte weiterhin Albträume von Männern mit Halloween-Masken. Und manchmal, wenn Brian und ich aufgedreht waren, nahm er sich eine Machete und ich mir einen Baseballschläger, und wir gingen auf Perversenjagd, befreiten die Straßen von Unholden, die es auf Kinder abgesehen hatten.
Mom und Dad schwangen gern große Reden darüber, dass man seiner Angst, seinen Vorurteilen oder auch den kleinkarierten Scheißreaktionären, die allen anderen vorschreiben wollten, was sich gehört, die Stirn bieten müsse. Wir sollten diese rückständigen Schafe, wie Dad sie nannte, ignorieren. Eines Tages ging Mom mit uns Kindern in die Bücherei im Civic Center. Es war brütend heiß, und sie schlug vor, dass wir uns in dem Brunnen vor dem Gebäude abkühlen. Das
Wasser war zu flach, um richtig drin zu schwimmen, aber wir planschten herum und spielten Krokodil, bis wir eine kleine Menschenmenge angelockt hatten, die Mom belehrte, dass das Schwimmen im Brunnen verboten sei.
»Kümmert euch um euren eigenen Kram«, entgegnete Mom. Mir war das alles peinlich, und ich wollte rausklettern. »Hör nicht auf die Spießer!«, sagte Mom zu mir, und um deutlich zu machen, dass sie sich nicht um solche Leute und deren Meinung scherte, ließ sie sich klatschend neben uns ins Wasser plumpsen, wobei eine Welle über den Brunnenrand schwappte.
Mom störte sich nie daran, wenn die Leute sich umdrehten und sie anstarrten, nicht mal in der Kirche. Obwohl Nonnen für Mom Miesmacher waren und sie sich nicht gerade streng an kirchliche Regeln hielt - sie behandelte die Zehn Gebote eher wie Zehn Vorschläge -, sah sie sich als fromme Katholikin und ging mit uns fast jeden Sonntag in die Messe in der St.-Mary's-Kirche, fünf Querstraßen von unserem Haus entfernt. St. Mary's war die größte und schönste Kirche, die ich je gesehen hatte. Sie war aus sandfarbenen Adobe-Ziegeln und hatte zwei hohe Türme, ein riesiges, kreisrundes Bleiglasfenster und zwei geschwungene Treppen, die zu den beiden Haupteingängen hinaufführten und stets ein Tummelplatz für Tauben waren. Die anderen Mütter machten sich für die Messe fein, umhüllten ihren Kopf mit Mantillas aus schwarzer Spitze und trugen, passend zu ihren Schuhen, grüne oder rote oder gelbe Handtaschen. Mom fand es oberflächlich, sich Gedanken über sein Aussehen zu machen, und sagte, Gott sehe das genauso. Also
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