Schloss aus Glas
Küche Kakerlakenmassaker an, denn dann kamen sie massenweise aus ihren Verstecken. Wir bewaffneten uns mit aufgerollten Illustrierten oder mit Schuhen - ich war zwar erst neun, hatte aber schon Größe 40, weshalb Brian meine Schuhe »Kakerlakenkiller« nannte - und schlichen in die Küche. Mom knipste das Licht an, und wir Kinder gingen zum Sturmangriff über. Man musste nicht mal zielen. Wir hatten so viele Kakerlaken, dass man mit jedem Schlag auf eine glatte Fläche ganz sicher ein paar erwischte.
Im Haus gab es außerdem Termiten. Das stellten wir einige Monate nach unserem Einzug fest, als Lori mit dem Fuß durch den porösen Holzboden im Wohnzimmer brach. Dad nahm das ganze Haus unter die Lupe und kam zu dem
Schluss, dass wir gegen den Termitenbefall nichts mehr ausrichten konnten, er war schon zu weit fortgeschritten. Wir würden uns mit den Viechern abfinden müssen. Also gingen wir einfach um das Loch im Wohnzimmerboden herum.
Aber das Holz war schon überall angefressen. Immer wieder traten wir auf morsche Stellen in den Dielenbrettern, brachen durch und hinterließen neue Löcher. »Der verdammte Boden sieht ja allmählich aus wie ein Schweizer Käse«, sagte Dad eines Tages. Er bat mich, ihm seine Drahtschere, einen Hammer und ein paar Nägel zu holen. Er leerte die Bierdose, die er gerade trank, schnitt sie mit der Drahtschere auf, hämmerte sie platt und nagelte sie über das Loch. Er brauchte mehr Abdeckmaterial, sagte er, und deshalb musste er sich ein neues Sechserpack Bier besorgen. Jedes Mal, wenn er ein Bier gekippt hatte, reparierte er mit der leeren Dose eins von den Löchern. Und immer wenn sich ein neues Loch auftat, holte er seinen Hammer, trank ein Bier und flickte die Stelle.
Viele von unseren Nachbarn auf der North Third Street waren irgendwie seltsam. Eine Querstraße weiter wohnte ein Zigeunerclan in einem großen, baufälligen Haus, dessen Veranda mit Sperrholz vernagelt war, um noch mehr Wohnraum zu schaffen. Die beklauten uns am laufenden Band, und einmal, nachdem Brians Pogostab verschwunden war, sah er eine alte Zigeunerin damit über den Bürgersteig hüpfen. Sie wollte ihn nicht zurückgeben, und Mom bekam deshalb mächtig Streit mit dem Oberhaupt des Clans. Am nächsten Tag fanden wir ein Huhn mit durchgeschnittener Kehle vor unserer Tür. Es war irgendeine Zigeunerhexerei. Mom beschloss, Zauberei mit Zauberei zu bekämpfen. Sie nahm einen Schinkenknochen aus dem Bohnentopf, ging zum Haus der Zigeuner und fuchtelte damit in der Luft herum. Sie blieb auf dem Bürgersteig stehen, hielt den Knochen hoch wie ein Kruzifix bei einer Teufelsaustreibung und verfluchte den gesamten Zigeunerclan mitsamt seinem Haus. Sie schwor, dass es ihnen über dem Kopf zusammenbrechen würde und dass sich das Innerste der Erde auftun und sie für alle Zeit verschlingen würde, wenn sie uns je wieder belästigten. Am nächsten Morgen lag Brians Pogostab bei uns im Vorgarten.
In unserer Nachbarschaft lebten auch ein paar Perverse. Die meisten von ihnen waren heruntergekommene, gebeugte Männer mit süßlichen Stimmen, die an den Straßenecken herumlungerten und uns auf dem Schul- und Nachhauseweg folgten, die uns Hilfestellung geben wollten, wenn wir über Zäune kletterten, die uns Süßigkeiten und Kleingeld anboten, wenn wir mitkämen und mit ihnen spielten. Wir nannten sie Fieslinge und brüllten sie an, sie sollten uns in Ruhe lassen, aber manchmal hatte ich Angst, ihre Gefühle zu verletzen, weil ich mich unwillkürlich fragte, ob sie vielleicht doch die Wahrheit sagten und tatsächlich bloß unsere Freunde sein wollten.
Nachts ließen Mom und Dad immer die Haustür und die Hintertür und sämtliche Fenster offen stehen. Da wir keine Klimaanlage hatten, so erklärten sie, müssten wir die Luft zirkulieren lassen. Ab und zu kam nachts ein Obdachloser oder Betrunkener zur Vordertür hereinspaziert, weil er glaubte, das Haus stünde leer. Wenn wir morgens aufwachten, entdeckten wir sie dann schlafend in einem der Wohnzimmer. So bald wir sie weckten, schlurften sie kleinlaut davon, und Mom versicherte uns immer, sie wären bloß harmlose Trinker.
Maureen war vier Jahre alt und hatte furchtbare Angst vor bösen Männern. Sie träumte regelmäßig, dass Eindringlinge mit Halloween-Masken durch die offenen Türen kamen, um uns zu holen. Und eines Nachts, als ich fast zehn war, wurde ich davon wach, dass jemand mich zwischen den Beinen streichelte. Zuerst war ich unsicher. Lori und ich schliefen
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