Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
Vom Netzwerk:
zufällig bei Grandmas Tod ein bisschen Land in Texas geerbt. Aber sie musste abwarten, bis sie von der Firma, die die Bohrrechte gepachtet hatte, einen Scheck über ein paar hundert Dollar erhielt, und als der kam, zog sie los, um einen Gebrauchtwagen zu kaufen.
    Ein Lokalsender im Radio übertrug einmal die Woche live eine Werbesendung von einem Autohandel aus, an dem wir auf dem Weg zur Schule vorbeikamen. Jeden Mittwoch schwärmten die DJs und die Gebrauchtwagenhändler von den unglaublichen Schnäppchen und den niedrigsten Preisangeboten, und zum Beweis gab es dann das so genannte Sparschweinangebot: ein Auto, dessen Preis immer unter tausend Dollar lag und das an denjenigen ging, der das Glück hatte, als Erster anzurufen. Mom hatte sich das Sparschweinangebot in den Kopf gesetzt. Und um kein Risiko einzugehen, vielleicht doch nicht die erste Anruferin zu sein, nahm sie ihr Bares und ging damit ins Büro des Autohandeis, während wir Kinder auf einer Parkbank gegenüber warteten und uns die Sendung im Transistorradio anhörten.
    Das Sparschweinangebot an jenem Mittwoch war ein Oldsmobile von 1956 und kostete Mom nur zweihundert Dollar. Wir lauschten, als sie auf Sendung kam und den Hörern erzählte, sie habe einfach eine Nase für tolle Schnäppchen.
    Mom musste das Sparschweinangebot ohne Probefahrt kaufen, und schon auf dem Nachhauseweg stotterte der Wagen und ging mehrmals aus. Wir wussten nicht, ob es an Moms Fahrkünsten lag oder ob wir eine Niete erwischt hatten.
    Wir Kinder waren von der Vorstellung, dass Mom uns quer durchs ganze Land kutschieren würde, alles andere als begeistert. Erstens hatte sie keinen gültigen Führerschein, und zweitens war sie schon immer eine miserable Autofahrerin gewesen. Manchmal, wenn Dad zu viel getrunken hatte, musste sie ans Steuer, aber irgendwie stand Mom mit Autos
    auf Kriegsfuß. Einmal waren wir in der Innenstadt von Phoenix unterwegs, als sie merkte, dass die Bremsen nicht funktionierten. Brian und ich mussten bei jeder Kreuzung den Kopf aus dem Fenster stecken und aus Leibeskräften »Bremsen kaputt! Bremsen kaputt!« schreien, während Mom nach etwas relativ Weichem Ausschau hielt, gegen das sie den Wagen lenken konnte. Letzten Endes knallten wir gegen einen Müllcontainer hinter einem Supermarkt und gingen zu Fuß nach Hause.
    Mom sagte, das wäre doch harmlos gewesen und gemeinsam würden wir die Fahrt schon meistern. Nun, da wir ein Auto hätten, meinte sie weiter, könnten wir gleich am nächsten Morgen starten. Es war Oktober, und wir waren erst seit etwas über einem Monat wieder in der Schule, aber Mom sagte, wir hätten keine Zeit, unseren Lehrern Bescheid zu geben, dass wir die Schule verließen, oder uns die Zeugnisse geben zu lassen. Wenn wir uns in West Virginia an einer Schule anmeldeten, würde sie für unsere schulischen Leistungen bürgen, und sobald unsere neuen Lehrer uns lesen gehört hätten, würden sie schon einsehen, wie begabt wir alle seien.
    Dad weigerte sich nach wie vor, mit uns zu kommen, und sagte, er würde in die Wüste aufbrechen und unter die Goldsucher gehen.
    Ich fragte Mom, ob wir das Haus auf der North Third Street dann verkaufen oder vermieten würden. »Weder noch«, sagte sie. »Es ist mein Haus.« Sie erklärte, sie fände es schön, zur Abwechslung mal etwas zu besitzen, und sie sah nicht ein, wieso sie es verkaufen sollte, bloß weil wir umzogen. Sie wollte es auch nicht vermieten, weil ihr der Gedanke nicht behagte, dass fremde Leute in ihrem Haus wohnten. Wir würden es einfach so lassen, wie es war. Zum Schutz gegen Einbruch würden wir Wäsche an die Wäscheleine hängen und schmutziges Geschirr im Spülbecken lassen. Dann, so Mom, würden mögliche Eindringlinge glauben, dass das Haus bewohnt wäre und die Bewohner jeden Moment nach Hause kommen könnten.
    Wir verstauten unser Gepäck im Wagen, während Dad schmollend im Wohnzimmer saß. Wir verzurrten Moms Malsachen auf dem Dach und füllten den Kofferraum mit Töpfen und Pfannen und Decken. Mom hatte jedem von uns einen warmen Mantel in einem Secondhand-Laden gekauft, damit wir etwas Passendes zum Anziehen hatten, denn in West Virginia wurde es im Winter so kalt, dass es schneite. Mom sagte, wir dürften jeder nur ein Teil mitnehmen, wie damals, als wir Battie Mountain verließen. Ich wollte mein Fahrrad mitnehmen, aber Mom meinte, das wäre zu groß, also nahm ich meine Geode mit.
    Ich lief nach hinten in den Garten und verabschiedete mich von den

Weitere Kostenlose Bücher