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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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Pastors von innen sah und Ginnie Sue persönlich kennen lernte.
    Glarence Pastor saß auf der Veranda und achtete nicht auf Kathy und mich, als wir an ihm vorbei ins Haus gingen. Die Zimmer waren klein und alle miteinander verbunden, wie Eisenbahnwagons, und weil das Haus auf dem allmählich immer weiter abrutschenden Berghang stand, waren die Fußböden, Decken und Fenster mal mehr, mal weniger schief. An den Wänden hingen keine Gemälde, sondern ausgerissene Seiten aus Katalogen eines Versandhauses.
    Kathys kleine Schwestern tollten halb angezogen herum. Sie hatten keinerlei Ähnlichkeit miteinander; eine war rothaarig, eine blond, eine hatte schwarzes Haar, und die Übrigen hatten braunes in den unterschiedlichsten Tönen. Sugar Boy, der Jüngste, krabbelte im Wohnzimmer herum und lutschte an einer dicken Essiggurke. Ginnie Sue Pastor selbst saß am Küchentisch, vor sich eins von diesen großen, teuren Brathähnchen, die wir uns nur ganz selten mal leisten konnten. Sie hatte ein müdes, faltiges Gesicht, aber ihr Lächeln war freundlich und offen. »Nett, dich kennen zu lernen«, sagte sie und wischte sich die Hände unten an ihrer Bluse ab. »Wir kriegen nicht oft Besuch.«
    Ginnie Sue sagte, wir sollten uns an den Tisch setzen. Sie hatte große Brüste, die wippten, wenn sie sich bewegte, und ihre Haare waren am Ansatz dunkel. »Ihr könnt mir bei dem Vogel hier helfen, dann mach ich für euch Hähnchenrollen á la Ginnie Sue.« Zu mir sagte sie: »Kannst du ein Hähnchen zerlegen?«
    »Na klar«, erwiderte ich. Ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen.
    »Dann lass mal sehen«, sagte Ginnie Sue.
    Ich fing mit einem Flügel an, zog die dünnen Doppelknochen auseinander und löste das ganze Fleisch aus, das dazwischen saß. Dann nahm ich mir die Beine und Schenkelknochen vor, brach sie an den Gelenken auseinander, zog die Sehnen ab und pulte das Mark heraus. Kathy und Ginnie Sue schauten mir gebannt zu. Ich entfernte das schöne Stück Fleisch vom Hinterteil, das alle immer übersehen, drehte den Rumpf auf den Rücken und kratzte mit den Fingernägeln das gelierte Fett und die Fleischstückchen von der Unterseite. Ich schob den Arm bis zum Ellbogen in den Vogel, um alles Fleisch herauszuholen, das innen am Brustkorb haftete.
    »Mädchen«, sagte Ginnie Sue. »Mein Lebtag hab ich noch niemanden gesehen, der ein Hähnchen so gründlich zerlegt wie du.«
    Ich hielt den speerförmigen Brustknochenknorpel hoch, den die meisten nicht essen, und biss mit einem lauten Knirschen hinein.
    Ginnie Sue schabte das Fleisch in eine Schüssel, rührte Mayonnaise und Käsesauce unter, zerstieß eine Hand voll Kartoffelchips und gab sie dazu. Sie verteilte die Mischung auf zwei Scheiben Weißbrot, rollte die Scheiben auf und gab uns je eine. »Hähnchen im Schlafrock«, sagte sie. Sie schmeckten toll.
    »Momma, Jeannette hat mal in Kalifornien gewohnt«, sagte Kathy.
    »Wirklich?«, sagte Ginnie Sue. Sie sagte, sie hätte sich immer gewünscht, in Kalifornien zu leben. In Kalifornien zu leben und Stewardess zu sein. Das war ihr Traum. Sie seufzte. »Bin nie über Bluefield rausgekommen.«
    Ich erzählte ihr und Kathy von unserem Leben in Kalifornien. Ich merkte bald, dass sie sich nicht für kleine Bergwerksstädte in der Wüste interessierten, also erzählte ich ihnen von San Francisco und dann von Las Vegas, was zwar nicht direkt in Kalifornien lag, aber das schien sie nicht zu stören. Ich erzählte es so, als wären wir nicht Tage, sondern Jahre dort gewesen und als wären die Show-Girls, die ich aus der Ferne gesehen hatte, gute Freundinnen und Nachbarinnen von uns gewesen. Ich erzählte von den glitzernden Kasinos und den glamourösen Zockermillionären, den Palmen und Swimmingpools, den Hotels mit eiskalten Klimaanlagen und den Restaurants, wo Hostessen mit langen weißen Handschuhen flambierte Desserts anzündeten.
    »Was Besseres gibt's nicht!«, sagte Ginnie Sue.
    »Nein, Ma'am, das stimmt«, bestätigte ich.
    Sugar Boy kam heulend herein, und Ginnie Sue nahm ihn auf den Arm, und er durfte ihr etwas Mayonnaise vom Finger lecken. »Das mit dem Hähnchen hast du toll gemacht«, sagte Ginnie Sue zu mir. »Ich glaube, du gehörst zu denen, die später mal so viel Brathähnchen und flambierte Nachspeisen essen, wie sie wollen.« Sie zwinkerte mir zu.
    Erst auf dem Weg nach Hause fiel mir ein, dass ich auf keine meiner Fragen eine Antwort gefunden hatte. Während ich bei den Pastors am Tisch gesessen und mit Ginnie Sue

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