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Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schloss der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
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zu lieben, und Zweifel würden mich nicht zu Christopher bringen.
    Entschlossen umklammerte ich mein improvisiertes Seil und wagte den ersten Schritt. Das Dach war steil, allerdings hätte ich auch ohne meinen selbstgebastelten Strick den Abstieg bis zur Dachkante geschafft. Für die letzten drei Meter zum darunterliegenden Balkon, war er mir nützlich. Die Knoten halfen mir beim Abstieg und ich landete sanft. Schnell versteckte ich mich unter der Fensterbrüstung und wartete. Die angrenzenden Räume gehörten dem Schulleiter, und ich hoffte, dass er entweder über einen guten Schlaf oder über ein schlechtes Gehör verfügte. Angespannt zählte ich die Sekunden – nichts regte sich.
    Ich nahm die zweite Etappe in Angriff: Vom Balkon bis zum Boden waren es fünf bis sechs Meter. Zu tief, fand ich, um hinunterzuspringen. Glücklicherweise gab es einen Absatz – ein zugemauertes Fenster –, auf dem ich Halt finden konnte. Bis dorthin reichten meine Gürtel.
    Ich befestigte das Gürtelband an einem der massiven Brüstungspfosten, schwang mich über das Geländer und stemmte meine Beine gegen das Mauerwerk. Langsam, wie ich es gelernt hatte, kletterte ich hinab. Meinen roten Gürtel hatte ich ganz unten angebracht – er war der schmalste. Ich spürte, wie sich das Leder langsam dehnte. Es war nur noch ein Meter bis zum Sims. Wenn er riss, bevor ich bei der Nische war, würde ich sie verfehlen – ich musste mich beeilen.
    Um Schwung zu holen, stieß ich mich vorsichtig von der Wand ab und peilte den Vorsprung an. Dieser zusätzlichen Belastung hielt das Leder nicht stand. Während ich nach vorne pendelte, riss der Gürtel. Mit den Füßen bekam ich den Absatz zu fassen und versuchte, mich an die Fensterleibung zu klammern, doch ich war mit zu hoher Geschwindigkeit unterwegs, um mein Gleichgewicht halten zu können. So fiel ich rückwärts die letzten zwei Meter nach unten und landete – natürlich – in einem der Rosensträucher.
    Ich unterdrückte ein Aufstöhnen – das Knacken der Zweige war laut genug – und verharrte reglos auf meinem unbequemen Landeplatz. Erst als ich mir sicher war, dass niemand meinen Absturz bemerkt hatte, befreite ich mich aus meiner misslichen Lage und betrachtete mein Werk: Der alte Rosenbusch war sichtlich geknickt, von der Balkonbrüstung hingen ein paar aneinandergereihte Gürtel und aus meinem Fenster ein langer Strick aus zusammengeknotetem Bettzeug. Wie ich das erklären sollte, ohne von der Schule zu fliegen, war mir ein Rätsel. Entweder musste ich rechtzeitig zurück sein – um wenigstens die Laken verschwinden zu lassen –, oder ich fand noch in dieser Nacht einen Weg zu Christopher, womit sich vielleicht alle Erklärungsversuche erübrigen würden.
    Einen Ausflug bei Neumond fand ich nicht gerade faszinierend, geschweige denn eine Bootstour über den See. Praktischerweise wurde es im Norden um die Sommersonnenwendenie ganz dunkel, wenn nicht gerade dicke Wolken über den Himmel zogen – was heute nicht der Fall war.
    Bis ich das Paddel in der Dunkelheit entdeckte, dauerte dennoch länger, als ich gedacht hatte. Hastig zog ich Schuhe und Strümpfe aus, warf sie mit dem Paddel in das nächstbeste Kanu und zog es ins Wasser. Es war eisig kalt, und ich beeilte mich, ins Boot zu klettern und loszurudern.
    Das Kanu glitt schnell über die glatte Oberfläche. Nach der Hälfte der Strecke paddelte ich langsamer – ich hatte noch genügend Zeit bis Mitternacht – und riskierte einen Blick über den See: nachtblau. Eisige Dunkelheit. Mir schauderte. Susan war hier ertrunken – und ich beinahe auch.
    Ich schloss die Augen und atmete tief durch, um mich zu beruhigen, doch Susans Bild ging mir nicht mehr aus dem Kopf: ihre wehenden Haare, ihre langsamen Bewegungen – wie in meinem Traum.
    Plötzlich verstand ich die Botschaft: Er wartet auf dich, bei mir ... Susan flog nicht, als sie zu mir sprach, sie war unter Wasser! Christopher erwartete mich im See.
    Mein Puls begann zu rasen, verstärkte das leise Klopfen in meinem Kopf zu einem wilden Hämmern. Susan wollte, dass ich mich in die Tiefe stürzte? Dass ich ertrank?! Nachdem sie selbst noch immer darunter litt? Es gab leichtere Möglichkeiten zu sterben. Das konnte niemals ein Traum von ihr gewesen sein!
    Wie in einem Déjà-vu fesselten wogende Blätter meinen Körper. Rasch schüttelte ich die Erinnerung ab und betrachtete den See: Wasser, nicht mehr. Dennoch verstärkte ich den Griff um das Paddel und stieß es tief nach

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