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Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schloss der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
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einer mittelalterlichen Hexenküche oder an Präparate eines akademischen Sammelsuriums genetischer Absurditäten. Föten mit Doppel- oder Elefantenköpfen, bizarr geformten Auswüchsen, wie Hörnern oder Geschwüren, reihten sich neben aalförmigen Schlangen und furchterregenden Riesenegeln. Aschgraue, eklig gelbe oder blutrote Gespinste, anscheinend aus dem Körper ihrer ehemaligen Besitzer entfernte Innereien und sonstiges Gedärm, kräuselten sich zu verwirrenden Knäueln zusammen.
    Ich zwang mich, meinen rebellierenden Magen zu ignorieren, und schluckte mein aufsteigendes Frühstück wieder hinunter. Während des gesamten Unterrichts kämpfte ich entweder gegen meine Übelkeit oder gegen meine vielen Fragen, derenZahl sich beängstigend schnell erhöht hatte. Paul und die sonderbare Lektion lenkten mich dankenswerterweise ein wenig ab – Rabenvögel standen heute auf dem Programm.
    Nach der kurzen Einführung in die Anatomie und die Farbstruktur der schwarzen Federn, währenddessen Paul von seinem Schwerttraining berichtete, verlegte Frau Kast ihre Erklärungen auf die mythologische Bedeutung der Raben und Krähen. Besonders auf ihre Funktion als Mittler zwischen den Welten.
    Ich horchte auf und suchte – wie konnte es anders sein? – einen Zusammenhang zu Christopher. Eine Krähe hatte mich verjagt, als ich ihn das erste Mal sah. Hatte sie ihn vor mir gewarnt? Oder mich vor ihm? Oder war alles nur esoterischer Quatsch und mittelalterlicher Aberglaube?
    Ich war vollkommen in meine Überlegungen vertieft, während ich Paul zum Gelben Haus folgte. Zu spät, um ihn aufzuhalten, entdeckte ich Christopher, der eilig das Schloss verließ. Doch der gehetzte Blick, den er mir zuwarf, während die schwere Eichentür hinter ihm zufiel, sprach Bände.
    Betreten biss ich mir auf die Unterlippe und starrte ihm hinterher. Erst Pauls Nachfrage, ob ich mit offenen Augen träumen würde, erinnerte mich an seine Gegenwart.
    Ich hörte, wie Paul mit einem Seufzer aufgab, meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Anscheinend weilst du heute nicht in unserer Welt«, zog er mich auf, da ich erneut meinen Gedanken nachhing.
    Ich lächelte entschuldigend. Pauls Äußerung kam der Situation ziemlich nahe.
    In der Kantine entdeckte ich Aron. Er diskutierte aufgeregt mit Herrn Coelestin, bevor er fluchtartig den Speisesaal verließ. Er auch?! Und ich hatte gehofft, wenigstens ihn beim Essen abzupassen.
    Ich beschloss, das Mentaltraining zu schwänzen, um nach Aron und Christopher zu suchen. Beim Bogenschießplatz trafich auf Aron. Er fixierte mich schon von weitem und nahm mich beiseite, bevor ich seine Unterrichtsgruppe erreichte. Er wirkte unruhig.
    »Du hast heute kein Bogentraining.«
    »Aron, ich muss mit dir reden – oder mit Christopher.«
    Er kniff seine Augen zusammen und betrachtete mich abwägend. »Christopher ist beschäftigt, und ich gebe jetzt Unterricht – und du verpasst deine Stunde!«
    »Aron, bitte!«
    Er musste die Verzweiflung in meiner Stimme gehört haben. Sofort veränderten sich seine Gesichtszüge. »Also gut, obwohl ich nicht genau weiß, was passiert ist. Aber zuerst gehst du zu deinem Kurs! Und erst danach werde ich dir deine Fragen beantworten.«
    Frau Klars Kommentar, als ich verspätet den Kursraum betrat, war weniger freundlich. Sie verwies mich barsch auf meinen Platz. Susan warf mir einen besorgten Blick zu. Ich ignorierte ihn und setzte mich neben sie, als hätte ich nichts bemerkt. Christopher fehlte, wie ich wenig überrascht feststellte.
    »Susan, du wirst Lynns Gedanken lesen«, befahl Frau Klar.
    Ich hielt die Luft an. Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Ein Engel, Wirbelstürme, esoterische Raben und nun auch noch Gedankenlesen? Wo war ich bloß gelandet?
    Susan griff nach meiner Hand und hinderte mich daran, sie fortzuziehen. Meine Unruhe war ihr nicht entgangen. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf und flüsterte so leise, dass nur ich es hören konnte: »Keine Sorge, ich werde nicht ... – nicht heute. Ich kann auch so sehen, dass dir gerade viel zu viel durch den Kopf geht. Es würde dir schwerfallen, deine Gedanken gezielt zu lenken. Und ich will nicht neugierig sein.«
    Ich sagte nichts. Mein Verstand streikte. Susan war überzeugt, meine Gedanken lesen zu können!
    »Gib mir deine andere Hand und schließ die Augen, mehr brauchst du nicht zu tun.« Sie ergriff vorsichtig meine zweite Hand und drückte sie beruhigend – meine Finger zitterten. »Lynn, du kannst mir

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