Schloss der Liebe
schien, als sei jedermann im Saal bewusst, dass die bewunderungswürdige Lady Marjorie tief gekränkt war.
»Wie konnte es dazu kommen?«, wollte Marjorie wissen. Sie saß auf einem niedrigen Hocker, während Hastings etwas Wermut und Himmelsschlüssel mit drei Löffeln Essig vermischte. Marjorie hatte sich in dem kleinen Spiegel gesehen, den Hastings' Vater seiner Frau einmal vor vielen Jahren geschenkt hatte. Kein Ton war ihr entschlüpft; sie hatte nur stumm ihr Spiegelbild betrachtet und vorsichtig ihre Nase berührt.
Hastings hatte eine ziemlich deutliche Vorstellung davon, wie es dazu gekommen war, schüttelte aber nur den Kopf. »Es ist vermutlich die Reaktion auf irgendein Nahrungsmittel, das Ihr nicht vertragt. Trinkt das, und Ihr werdet sehen, dass es Euch dann rasch besser geht.«
»Aber welches Nahrungsmittel? So etwas ist mir noch nie passiert.«
Hastings zuckte die Schultern, verrührte mit gesenktem Kopf die Zutaten und fügte noch einige Tropfen Ziegenurin hinzu, von dem man sagte, dass er außerordentlich wirksam gegen Schwellungen sei. Sie kam sich ein wenig boshaft vor, aber immerhin tat sie ihr Bestes, Lady Marjorie zu heilen. Ganz so böse war sie also wohl doch nicht. Heilerin zu sein war manchmal gar nicht so leicht. »Vielleicht lag es an einem der Kräuter, die MacDear verwendet und die andere Köche nicht kennen. Vielleicht wäre es besser, wenn Ihr sein Essen in Zukunft meidet.«
Sie reichte ihr die kleine Tasse mit der dicklichen Flüssigkeit. »Trinkt das schnell, Marjorie.«
Marjorie leerte die Tasse in einem Zug. Im gleichen Augenblick wich die Farbe aus ihrem Gesicht und sie hielt sich den Bauch.
»Nein, Ihr müsst es bei Euch behalten, sonst müsst Ihr es noch einmal trinken. Die Übelkeit wird gleich vergehen. Denkt an Eure Nase, die wieder klein und blass wird. Seht Ihr, es wird schon besser.«
Eine Stunde später war Marjories Nase wieder in Ordnung, aber sie verzichtete darauf, in den Großen Saal zurückzukehren.
Hastings holte Eloise aus dem Saal herauf und zog sich dann fröhlich summend in ihr eigenes Schlafzimmer zurück.
Ich bin kein nettes Mädchen, dachte sie. Aber das konnte man von ihrer Schwiegermutter ebenso wenig behaupten.
Hastings hatte ein flaues Gefühl im Bauch. Vorsichtig presste sie die Hand gegen ihren Magen und horchte in sich hinein. Sie umschloss ihre Brüste mit den Händen und betastete sie. Sie fühlten sich wund und empfindlich an. Ihr letzter Monatsfluss lag viele Wochen zurück.
Sie erwartete ein Kind, Severins Kind.
Ob Marjorie auch bald ein Kind von Severin erwarten würde?
Sie schüttelte den Kopf, rannte in den Stall und bat Tuggle, Marella für sie zu satteln.
Als sie ihre Stute vor der kleinen Hütte der Heilerin zum Stehen brachte, kniete diese gerade vor ihrem Kräuterbeet und pfiff vor sich hin. Alfred lag der Länge nach ausgestreckt und sonnte sich in einem Lichtstrahl, der durch die dicken Äste der Steineichen drang.
»Hastings«, sagte die Heilerin und setzte sich auf die Fersen. »Schau dir das an. Eine neue Gänseblümchenart. Ich habe probiert und experimentiert und bin jetzt ganz sicher, dass diese Blumen, zu Pulver zerstoßen und mit Wein vermischt, dafür sorgen werden, dass Lady Moraines Kopf so klar wie Quellwasser bleibt.« Die Heilerin schwieg einen Moment und lächelte dann verschmitzt. »Ich glaube, es hilft auch gegen Warzen. Ich habe es schon an zwei Jungen aus dem Dorf ausprobiert, und die Warzen waren innerhalb von drei Tagen verschwunden. Die Burschen werden es ihren Müttern und Schwestern erzählen, und bald bekomme ich mehr Lebensmittel und Sachen aus dem Dorf, als ich je gebrauchen kann. In dieser Gegend leben unglaublich viele Menschen mit Warzen. Und ich habe jetzt das Gegenmittel. Ich bin die beste Heilerin von ganz Britannien. Glaubst du das nicht auch?«
»Ich glaube, dass ich schwanger bin.«
Die Heilerin stand langsam auf und wischte sich die Hände an ihrem Rock ab. Dann trat sie zu Hastings, um sie eingehend zu betrachten. Sie streckte die Hand aus und legte sie auf Hastings' Bauch. Sie sah sich ihre Zunge an, kratzte behutsam die Haut an Hastings' Handrücken und untersuchte die Fingernägel.
Schließlich trat sie einen Schritt zurück. Alfred streckte sich und kam auf alle viere hoch. Er gab ein energisches Miauen von sich und setzte zum Sprung auf Hastings' Schulter an.
»Nein«, sagte die Heilerin streng. Alfred runzelte die Stirn. Hastings hatte das noch nie bei einer Katze gesehen,
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