Schloss der Liebe
begehrt hat?«
»Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Ihr jemals ein Mädchen wart, Marjorie. Das würde ja bedeuten, dass Ihr irgendwann einmal plump, vielleicht sogar tolpatschig wart und Pickel im Gesicht hattet. Nein, Ihr wart gewiss nie ein Mädchen.«
»Macht nur Eure Scherze. Schaut Euch doch selbst an, blass und dünn wie Ihr seid, das Haar zu diesen dicken Zöpfen geflochten. Glaubt Ihr im Ernst, Ihr könntet Severin jemals zufriedenstellen?«
»Ja.« Hastings' Wunde begann zu schmerzen.
»Zufrieden, vielleicht. Aber das ist nicht alles,und mehr werdet Ihr nie von ihm bekommen. Er wird mit Euch schlafen, wenn er muss, weil er weiß, dass er Nachkommen braucht.« Sie zuckte mit den Schultern. »Er ist ein Mann. Männer schlafen mit jeder, die ihnen über den Weg läuft. Es sei denn, sie lieben ihre Frau über alles. Severin empfindet für Euch nichts dergleichen.« Marjorie schenkte ihr ein sanftes Lächeln und berührte mit den Fingerspitzen ihr Haar. »Ich glaube, ich werde mein Haar waschen. Habt Ihr bemerkt, welchen Reiz mein Haar auf Severin ausübt? Er kann kaum die Augen abwenden.«
»Ja, ich habe es bemerkt. Ihr habt wirklich wunderschönes Haar. Allerdings fange ich an mich zu fragen, wie es in Eurem Inneren ausschaut, Marjorie.«
»In meinem Inneren? Wie meint Ihr das?«
Ihre Stimme klang mit einem Mal eher scharf als sanft. »Ich frage mich nur, wie weit Ihr gehen würdet, um Euren Willen zu bekommen.«
Marjorie lachte. »Ihr versteht Euch blendend darauf, zu scherzen, aber das ist auch alles. Arme Hastings, Ihr lauft herum wie eine alte Frau.«
Hastings schlief nicht, wie Severin ihr befohlen hatte.
Sorgenvoll grübelte sie über Marjories verborgene Seiten nach. Alles, was sie mit ihrem Fluchtversuch erreicht hatte, war ein Schnittwunde an der Seite, und ein Ehemann, der sie außerordentlich eigenartig behandelte, das wurde ihr nun klar. Er wollte mit der Bestrafung warten, bis die schwarzen Fäden gezogen waren.
Morgen würde sie dafür sorgen, dass Marjorie auf Oxborough nicht länger das Sagen hatte. Als sie zwei Tage zuvor damit herausgerückt war, hatte Severin sie nur verständnislos angesehen und gesagt, sie solle im Bett bleiben und ruhen. Aber Oxborough war ihr Zuhause. Es waren ihre Leute, nicht die Marjories. Sie würden allen beweisen, dass sie wieder gesund und in der Lage war, ihren Platz als Herrin von Oxborough einzunehmen.
Sie hatte gebadet und das safrangelbe Wollkleid angezogen, das um die Taille von einem schmalen goldenen Gürtel zusammengehalten wurde. Die eng anliegenden Ärmel fielen von den Ellbogen an in weich fließender, weiter Linie bis über die Fingerspitzen herab. Sie fühlte sich wunderschön. Selbst ihr Haar glänzte vor Sauberkeit. Marjorie würde nichts an ihr auszusetzen haben.
Ihre Seite tat noch weh, aber es war nicht der Rede wert. Sie fühlte sich keineswegs wie eine alte Frau.
Zu ihrer Erleichterung war ihr Stuhl an der Tafel leer. Marjorie saß an ihrem Platz neben Eloise. Lady Moraine war in ein Gespräch mit ihrem Sohn vertieft. Gwent versetzte Beamis' Arm gerade einen Stoß. Wie immer herrschte lärmendes Durcheinander, und der Überschwang der lauten Trinksprüche ließ das Bier nur so über den Rand der Becher spritzen.
»Willkommen, Hastings!«, rief Marjorie ihr entgegen. Sie beugte sich vor und tätschelte die Armlehne ihres Stuhls. »Ich habe MacDear gebeten, Eure Leibspeisen zuzubereiten. Er hat sogar Rosenpudding gemacht. Er sagt, es war das Lieblingsgericht Eurer Mutter.«
Ihrer Mutter . Laut sagte Hastings: »Ja, meine Mutter liebte Rosenpudding. Ich glaube, sie hat MacDear das Rezept gegeben, als sie nach Oxborough kam.«
Hastings widerstand dem Impuls, Marjorie zu sagen, sie solle sich künftig von der Küche von Oxborough fern halten.
»Ich habe gehört, dass deine Mutter so sündhaft und böse war, dass dein Vater sie zu Tode prügeln ließ«, sagte Eloise.
Es war schlimm genug, die Geliebte ihres Mannes über ihre Mutter reden zu hören, aber dass sie auch Eloise gegen sie aufhetzte, war zu viel. Sie wollte eben antworten, als Marjorie ihr zuvorkam. »Aber Eloise, das sind nur üble Geschichten, die du niemals erwähnen darfst. Weder du noch ich können uns ein Urteil über Hastings' Mutter erlauben. Und nun reiche mir deinen Teller, damit ich dir etwas von den Gartenerbsen geben kann, die Hastings selbst angepflanzt hat.«
»Ihr müsst Eloise entschuldigen«, sagte Marjorie wenig später zu
Weitere Kostenlose Bücher