Schloss der Liebe
Gesicht hinein. Trist hatte sich mit seinem dicken, weichen Fell neben seinem Kopf eingerollt, aber er fühlte sich nicht schwer an, nicht wie das erdrückende Gewicht der Decken. Die Kälte lockerte ihren eisernen Griff und er konnte wieder klarer denken. Er hörte ihre Stimme und wusste, dass sie ganz in der Nähe war. Gleichzeitig konnte er ihre Hände fühlen, die ihm die Last der Decken auf seiner Schulter etwas erleichterten. Er wollte nicht, dass sie ihn anfasste. Er wollte nicht, dass sie merkte, wie die bleiernen Decken ihn zu gefrorenem Brei zerquetschten und den Schmerz in seiner Schulter unerträglich machten. Er wollte nicht, dass sie ihn in so hilflos sah.
»Jetzt wird er ruhiger«, hörte er Hastings sagen, die sich mit Graelam über ihn beugte. »Das ist ein gutes Zeichen.«
»Sollte er wieder Fieber bekommen, lasse ich ihn lieber in seinem Schweiß ertrinken. Jeder Kampf gegen die Ungläubigen ist mir lieber, als diesen Riesen noch einmal mit kalten Tüchern abzureiben.«
Sie lachte. »Weißt du«, sagte sie dann, »es heißt, dass die Alraunwurzel einen gellenden Schrei ausstößt, wenn man sie ausgräbt, und dem, der sie zerstört hat, den Tod bringt. Die Heilerin sagt mir immer, ich soll die Wurzel von einem Hund ausgraben lassen.«
Graelam lächelte. »Ich werde es Kassia erzählen. Wie ich sie kenne, wird sie das für sehr gut möglich halten. Sie hat etwas von einer Hexe an sich. Ja, sie wird es ganz sicher glauben. Also, du hast mich jetzt lange genug auf die Folter gespannt. Hat Severin dir letzte Nacht wehgetan?«
Severin wünschte, er hätte die Kraft, seinen Unmut mit einem verächtlichen Schnauben kundzutun. Er und ihr wehtun? Natürlich hatte er ihr nichts getan. Sicher, er hatte sie ein wenig durchgeschüttelt, und sie hatte es verdient. Bei den Daumen des Heiligen Peter, sah Graelam denn nicht, dass er derjenige war, der verletzt war?
»Nein, Graelam, er hat mir nicht ernsthaft wehgetan, aber er kann mich einfach nicht ausstehen, weißt du. In seinen Augen bin ich nur eine lästige Pflicht, weiter nichts. Ich gehöre zu der Beute, die er gemacht hat, und bin mit Sicherheit der Teil, den er am wenigsten wollte. Er ist ein Krieger, hart und grausam. Er behandelt mich wie eines seiner Besitztümer, mit dem Unterschied, dass er mich für weit weniger begehrenswert hält als diese Badewanne dort drüben. Die Wanne erfüllt ihren Zweck. Und von mir erwartet er das Gleiche. Ich soll genauso ergeben sein wie diese dämliche Badewanne und tun, was er verlangt - ohne zu fragen oder zu widersprechen und vor allem ohne zu denken. Er ist sehr böse auf mich. Meinst du, er wird mich töten, wenn er sich erst den Besitz meines Vaters gesichert hat?«
Sie hielt ihn also nicht nur für ein wildes Tier, sondern auch für einen Frauenmörder? Mit tiefem Ingrimm erging er sich in rachelüsternen Gedanken, bis seine Schulter seine Sinne erneut schwinden ließ.
»Sei nicht albern, Hastings. Du bist müde und kannst nicht klar denken. Severin wird dich gewiss nicht töten, aber ich fürchte, du hältst deine Zunge nicht genügend im Zaum, wenn du dich über seine Befehle und Gebote ärgerst. Und du hast natürlich Recht. Severin hat in seinem kurzen Leben schon viel Härte und wenig Schönes erlebt. Aber man kann ihm bedingungslos vertrauen.«
»Vertrauen sagst du? Nun ja, wir werden ja sehen. Jedenfalls wird er heute niemanden mehr herumkommandieren.«
Severin kam gerade rechtzeitig genug wieder zu sich, um diese Worte zu hören. Sobald er wieder bei Kräften war, würde er ihr mehr Befehle erteilen, als ihr schwacher Geist aufzunehmen im Stande war. Und zwar noch heute. Und wenn es das Letzte war, das er tat, er würde ihr noch heute zeigen, wer der Herr war ... War überhaupt noch heute? fragte er sich.
»Ich gebe ihm jetzt noch etwas Enzian, dem ich ein ein bisschen Mohn beigemischt habe, dann wird er eine gute Weile schlafen.«
Er wollte nicht den ganzen Tag schlafen. Lieber wollte er nachdenken über das, was er gerade gehört hatte. Graelam hatte gesagt, er sei ein Mann, dem man vertrauen könne. Und ob er das war. Er war ein Ehrenmann. Sogar das zweifelte sie an. Vielleicht entsprach er nicht ganz dem Bild eines edlen Ritters, wie ihn die Minnesänger in ihren Liedern rühmten. Er war ein Mann und Krieger und würde gebührend über seinen Besitz herrschen. Und sie gehörte nun mal dazu.
Aber, verflucht noch einmal, sie konnte ihm vertrauen. Wie könnte er sie töten? Eine ordentliche
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