Schloss der Liebe
nunmehr weder unverheiratet noch eine Jungfrau ist, so viel ist gewiss. Hier ist für ihn nichts mehr zu holen. Das Einzige, was mir Kopfschmerzen bereitet, ist, dass er versuchen könnte, Euch zu ermorden, denn er ist ein hinterhältiger Feigling und so unersättlich in seiner Gewinnsucht, dass er sogar die Edelsteine vom Schwertgriff seines Vaters herunterkratzte, bevor er ihn beerdigen ließ. Northbert sagte mir, dass de Luci seine Frau vergiftet hat. Unglücklicherweise starb sie nicht rasch genug und er konnte nicht schnell genug nach Oxborough gelangen, um Eure Heirat mit Hastings zu verhindern. Man munkelt außerdem, dass er seiner Gattin mit Freuden zu einem schnelleren Ende verholfen hätte, aber der Priester wich während ihres Martyriums nicht von ihrer Seite.«
»Er soll zur Hölle fahren, Graelam. Sobald ich wieder ganz bei Kräften bin, werde ich dafür sorgen. Wusstet
Ihr, dass Hastings Trist ein Ei zubereitet hat, das gerade lange genug gekocht hatte, um das Innere stocken zu lassen?«
»Woher wisst Ihr das?«
»Er brachte es her und zeigte es mir. Sie hatte die Spitze eingeritzt, sodass er es leicht öffnen konnte. Er hat das Ei auf meiner Brust verspeist, aber vorher ließ er es etwas abkühlen.«
Graelam lachte immer noch, als Hastings das Schlafzimmer mit einem Tablett betrat. Severin sah, wie sie Graelam zulächelte - ein herzliches, unbefangenes und reizendes Lächeln, das ihre geraden weißen Zähne zeigte. Dann sah sie ihn an und ihr Lächeln erstarb auf ihrem Weg zum Bett. Verdammt, es kümmerte ihn nicht im Mindesten, ob sie ihn jemals anlächeln würde oder nicht. Sie hatte ihre Aufgaben zu erfüllen - die er ihr zuweisen würde, sobald er wieder auf den Beinen war -, mehr erwartete er nicht von ihr.
Ohne ein Wort setzte sie das Tablett neben ihn auf dem Bett ab, bückte sich dann und legte ihm sanft ihre Handfläche auf seine Stirn. Er streckte seine Hand aus, und seine Finger schlossen sich um ihr Handgelenk.
»Ich habe kein Fieber.«
»Nein«, sagte sie und wich zurück, ohne einen Finger zu bewegen, »das sehe ich.«
»Verflucht noch einmal, behandelt mich nicht wie einen sabbernden Alten, der Euch nicht die Stirn bieten kann.«
Sie richtete sich auf, und er lockerte seinen Griff. »Ich habe Euch etwas zu essen gebracht. MacDear ist der Koch auf Oxborough und ein wahrer Meister seines Fachs. Er hat Euch eine Gerstensuppe gezaubert. Sie wird Euch stärken, wenn Ihr sie zu Euch zu nehmen beliebt. Behagt sie Euch nicht, so schüttet sie eben in die Binsen auf dem Boden. Graelam, Mylord, Northbert wünscht Euch zu sprechen.«
Graelam starrte die beiden an. Hastings, dieses vertrauensvolle Mädchen, das er seit zehn Jahren kannte, das immer voller Herzlichkeit war, das immer lachte, vor sich hin summte oder sang, zeigte kaum jemals Angst. Ihr Vater hatte sie für gewöhnlich mit Missachtung gestraft, aber nur wenige Male hatte er die Selbstbeherrschung verloren und sie geschlagen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn Fawke sie härter angefasst oder ihr gar von Zeit zu Zeit angedroht hätte, dass es ihr wie ihrer Mutter ergehen könnte. Vielleicht würde sie Severin dann etwas mehr Achtung erweisen. Sie würde sich umsichtiger verhalten. Stattdessen benahm sie sich gebieterisch wie eine Matrone und steif und unnahbar wie der onyxbesetzte Schaft von Severins Schwert. Sie machte nicht den Eindruck, als würde sie sich bei starkem Wind biegen und sich schon gar nicht dem Willen eines Mannes beugen wollen, am wenigsten dem ihres Gatten.
Andererseits, überlegte Graelam, wollte er gar nicht, dass sie sich änderte. Er hoffte nur, dass Severin ihr nichts antun würde. Möglicherweise sollte er in einem vertraulichen Moment noch einmal mit ihm sprechen und ihm klarmachen, dass es seine Frau womöglich umbringen könnte, wenn er sie schlug; und wer würde sich dann um sein Wohl und die Mahlzeiten kümmern? Wer würde dann seine Kinder zur Welt bringen?
Auf dem Weg in den Burghof, wo ihn Northbert, der Anführer seiner Gefolgsleute, erwartete, fragte sich Graelam erneut, was am vorherigen Abend wohl zwischen Severin und Hastings vorgefallen sein mochte. Die Anspannung, die von ihr ausging, war frostiger als die klirrend kalten Winterstürme, die von der Nordsee hereinkamen. Und doch hatte sie keinen Augenblick gezögert als es darum ging, Severins Leben vor dem Dolch des Angreifers zu retten. Genausowenig hatte sie gezögert, ihn zu pflegen.
Wahrscheinlich würde er nie verstehen,
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