Schloss der Liebe
was in den Köpfen der Frauen vor sich ging. Nicht dass es eine Rolle spielte, denn schließlich nannte er ein Weib sein eigen, das ihn anbetete, seine schlechten Gewohnheiten duldete und ihm keine Vorhaltungen machte, wenn er gereizt oder mit Schrammen und blauen Flecken vom Turnierplatz zurückkehrte. Andererseits sprang sie auf einen Stuhl, damit sie ihm besser ins Gesicht schreien konnte, wenn er sich wie ein Hornochse benahm. Er ertappte sich dabei, wie er verzückt in sich hineinlächelte. Er hatte sich gerade daran erinnert, wie sie ihn geküsst hatte, als er ihr neugeborenes Kind in den Armen gehalten und über dessen weiches schwarzes Haar - sein schwarzes Haar - gestrichen hatte.
Northbert berichtete ihm und Graelam traute seinen Ohren nicht. Nachdenklich rieb er die Hände aneinander. Er dachte an Severin und schüttelte den Kopf. Nun, er würde sich um diese Sache kümmern müssen. Das würde seine letzte Amtshandlung auf Oxborough sein. Er spürte, wie sein Blut in Wallung geriet. O ja, mit Freuden würde er das hier erledigen. Das war keine Pflicht, sondern ein Vergnügen; er konnte es kaum erwarten.
Hastings sah, wie Graelam mit Northbert fortritt und sein Dutzend Männer ihnen wenig später folgten. Er war nicht zurück in den Turm gekommen. Das bedeutete, dass Severin nicht wusste, dass er die Burg verlassen hatte.
Sie aß etwas weichen Ziegenkäse mit frischem, noch ofenwarmem Brot, das MacDear gebacken hatte, trank einen Schluck Milch und sah zu, wie zwei ihrer Dienerinnen die langen Tische abräumten. Später wollte sie noch einmal nach Severin sehen, um sich zu vergewissern, dass seine Heilung Fortschritte machte und das Fieber nicht zurückgekehrt war. Aber vorher wollte sie ein wenig im Kräutergarten arbeiten. Sicher schlief er noch eine Weile.
Als Erstes machte sie sich daran, das Unkraut zwischen den Glockenblumen und Lupinen zu jäten, die beide in voller Blüte standen. Eine rosafarbene Lupine war so hoch gewachsen, dass sie den Ysop am anderen Ende des Gärtchens verdeckte. Sie setzte sich auf die Fersen und überlegte, was sie mit ihr tun sollte. Eigentlich gab es da nicht viel nachzudenken. Entschlossen knipste sie die Spitze der Lupine ab und warf sie hinter sich. Sie brauchte den Ysop und das Bohnenkraut, das daneben wuchs. Beide benötigten viel Sonne und Freiraum.
Wie gewöhnlich vor sich hin summend widmete sie sich ihrer Arbeit. Allmählich spürte sie, wie sie ruhiger wurde. Sie pflückte ein gutes Dutzend reifer Erdbeeren, die sie später zerdrücken wollte. Es gab nichts Besseres für weiße Zähne.
Es war später Nachmittag, als Graelam durch die haushohen Tore von Oxborough geritten kam, vorbei an den dicken Wehrmauern bis zu dem mächtigen eisernen Fallgitter, vor dem er warten musste, bis die Wachen es hochgezogen hatten. Seit dem Angriff auf Severin wurde es nun immer geschlossen gehalten. Er und seine Männer ritten in den Burghof ein, und Hühner, Ziegen, Schweine und Hunde stoben eilends zur Seite, um sich vor den schweren Hufen der Streitrösser in Sicherheit zu bringen. Kinder jeden Alters scharten sich zusammen, um die zwölf Krieger zu bestaunen.
Auf den tief ausgetretenen Stufen, die zum Großen Saal führten, trat ihm Severin entgegen. Graelam bemerkte ihn sofort. Wie üblich ganz in Grau gekleidet, stand er auf der Treppe und wirkte stark, gesund und sehr wütend. Er konnte unmöglich schon wieder so kräftig sein. Als Graelam gegangen war, hatte er noch geschlafen. Hastings hatte ihm bestimmt nicht erlaubt, sein Bett zu verlassen - aber Severin war nicht der
Mann, der auf irgendjemanden hörte, wenn er sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Graelam ließ sich nicht von Severins scheinbarer Gelassenheit täuschen, mit der er seine Gegner zu verwirren pflegte. Nein, Severin hatte zweifellos große Lust, seine Streitaxt auf sein Haupt niedersausen zu lassen, vor allem wenn er erfuhr, was Graelam getan hatte.
Severins Hände waren auf die Hüften gestemmt. Dass Hastings hinter ihm stand, wusste er nicht. Ihre Blicke trafen sich, und er lächelte.
»Ihr seid fortgeritten, ohne mir etwas zu sagen«, sagte Severin und seine Stimme klang sanft und leise. »Mich habt ihr hier zurückgelassen, betrunken von dem Gift, das sie meine Kehle hinuntergezwungen hat. Ich weiß nicht, was Ihr vorhattet, aber ich weiß, das es mir nicht gefallen wird.«
Graelam grinste und gab ihm einen Klaps auf die heile Schulter. »Kommt mit hinein, und ich werde Euch
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