Schloss der Liebe
die Hand auf Wange und Stirn. »Du fühlst dich heiß an. Geht es dir gut?«
»O ja«, sagte sie und befühlte ihrerseits seine Wange und Stirn. »Und du, Mylord?«
»Ich fürchte«, begann er langsam und sah zu ihr hinunter, »dass die Brüder über kurz oder lang anfangen werden, vor Sinnenqualen an ihren Knöcheln zu nagen. Ich habe dem Abt versprochen, dass er so tun könne als seist du ein Mann, ein Kastrat zum Beispiel.«
Sie kicherte und und erhob ihre Stimme zu einem hohen, schrillen Piepsen: »Warum nicht? Dann kann ich ihm mein Essen mit Singen entlohnen. Ich werde dich nicht küssen, Severin, obwohl ich es so gern möchte. Ich sehne mich nach deinem Mund.«
»Hör auf, Hastings, bitte. Ah, da kommt ja unser Mahl.«
Nachdem Hastings einen Bissen von einem Hühnerflügel gekostet hatte, meinte sie: »Du brauchst deinen Dolch nicht in den Hals des Abts zu stoßen, es schmeckt ausgezeichnet.«
Nach dem Essen sah Hastings nach den Männern. Tabar, einer der Soldaten von Oxborough, fühlte sich heiß an und hatte ein dumpfes Gefühl in der Brust. Hastings mischte warme Milch mit Enzianwurzel und wartete, bis er sie ganz getrunken hatte. »Wenn du Halsschmerzen bekommst, kaust du diese Akeleiblätter. Sieh zu, dass du dich warm hältst, Tabar. Schlaf möglichst dicht bei den anderen. Ihre Körperwärme wird dir helfen.«
Einer der Brüder näherte sich ihr, als sie Tabar die Kräuter gegeben hatte, ein kleiner, drahtiger Mann mit einem offenen, klaren Gesicht. Verstohlen hin und her blickend sagte er: »Ich habe Zahnschmerzen, Mylady. Der Zahn sieht zwar gesund aus, aber wahrscheinlich ist er von innen verfault. Ob Ihr wohl etwas habt, das mir helfen könnte?«
»Ja, Vater. Verrührt diese zerstoßenen Ritterspornsamen in einem Becher Bier oder Wein. Es wird helfen, den Schmerz zu lindern. Aber der Zahn muss wohl heraus, Vater. Wenn er anfängt, Euch wehzutun, wird es nicht mehr lange dauern, bis er Euch derart quält, dass er gezogen werden muss.«
»Ich weiß, aber ich bin ein solcher Feigling. Ich warte lieber, bis die Schmerzen mich ins Delirium treiben und einer der Brüder mir den Zahn zieht.«
Plötzlich stand der Abt zwischen ihnen. »Du gehst zu dieser Frau? Du sprichst mit ihr? Du nimmst dieses teuflische Zeug von ihr an?« Er schlug ihm die Ritterspornsamen aus der Hand.
Der Mönch sah aus, als wolle er jeden Moment zu weinen anfangen. Er starrte auf die Samenkörner, die um seine Sandalen verstreut waren. »Vater Michael«, flüsterte er, »es handelt sich nur um eine Kleinigkeit für meine Zahnschmerzen. Die Dame tut nichts Böses.«
»Von dem, was sie dir da aufgedrängt hat, wirst du im Schlaf grässliche Visionen bekommen, Bruder. Du würdest von dem sündigen Fleisch der Frauen träumen und dieser Traum würde dich ins Verderben treiben.«
Nur mit großer Mühe gelang es Hastings, nichts darauf zu erwidern. Sie hatte große Lust, dem Abt einen Tritt zu verpassen, und wünschte, er hätte die Zahnschmerzen. Zu gern hätte sie gewusst, ob er bereit gewesen wäre, sie still zu ertragen oder von ihr zu träumen.
»Komm«, sagte Severin ruhig und trat an ihre Seite. »Du kannst dem Bruder nicht helfen. Nein, sag nichts. Der Bruder ist Mitglied dieses Ordens. Also muss er sich auch an seine Regeln halten.«
Als sie unschlüssig stehen blieb, nahm er sie bei der Hand und zog sie mit sich. Über die Schulter sah sie nach dem Mönch zurück, der seine Hand an die Backe presste. Severin zog sie weiter und sie musste laufen, um mit ihm Schritt zu halten.
»Ich möchte die armen Mönche nicht in Aufregung versetzen. Wir werden wie Bruder und Schwester nebeneinander liegen.« Kaum hatten sie sich auf der schmalen Liege der Klosterzelle in die Decken gehüllt, als sie einen gellenden Schrei aus dem Großen Saal hörten.
Severin, der seine Hand auf Hastings' Brust gelegt hatte, fluchte, sprang auf und warf seinen Mantel über. Er packte sein Schwert und war verschwunden.
Als Hastings ihm in eine Decke eingewickelt folgte, fand sie den so von Zahnschmerzen gepeinigten Bruder auf dem Boden kniend vor. Stöhnend hielt er sich die Backe. Zwischen seinen Finger tropfte Blut hervor. Über ihm stand grimmig lächelnd der Abt und hielt den Zahn in der Hand. »Es ist vorbei. Hör auf zu greinen.«
»Ich kann ihm etwas geben, um die Blutung zu stillen«, sagte sie leise zu Severin.
»Nein, das kannst du nicht. Was auch immer du tust, der Abt wird einen Anfall religiöser Raserei erleiden.« Seufzend
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